Am Ende eines Sommers - Roman
frei hat.«
»Wir könnten einfach auf dein Zimmer gehen und die Hefte rausholen, oder?«
»Nee. Ich weiß auch gar nicht mehr, wo ich sie hingetan hab.« Ich hocke mich am Uferrand hin und greife nach dem Seil, das an dem Floß hängt. Ich ziehe es heran und drücke auf den Rand, um zu sehen, wie gut das Holz trägt. »Willst du mal fahren?«
Malcolm schüttelt den Kopf. »Nie im Leben, Alter. Das schwimmt niemals. Du wärst verrückt, wenn du da draufsteigst.«
Ich lache ihn an und lasse den Finger an meiner Schläfe kreiseln, um ihm zu zeigen, wie geisteskrank ich bin.
Ich knote das Seil los, greife mir die lange Stange, die am Wasser liegt, schiebe den Hintern in die Mitte des Floßes und stoße mich ab.
»Bekloppt«, sagt Malcolm und schüttelt den Kopf.
Ich treibe in die Mitte des Teichs und schiebe mich mit der Stange voran. Das Wasser ist nicht sehr tief. Andy lässt sich von der Schaukel fallen und fängt an, mir zuzuwinken.
»Hierher, Jake! Komm rüber, ich will auch drauf!«
Ich stake rüber zu ihm, und vorsichtig schiebt er sich zu mir auf das Floß. Wir rutschen ein bisschen hin und her, bis das Gleichgewicht stimmt.
»Ja-hey! Auch mitfahren, Malcolm?«, schreit Andy und bringt das Floß gefährlich ins Schaukeln.
»Nicht so wild, Idiot«, sage ich.
Wir staken auf dem Wasser herum, versuchen, eine volle Runde zu drehen und zu Malcolm zurückzukommen. Er fläzt sich auf der Bank, hat die Arme über seinem molligen Bauch verschränkt und sieht gelangweilt aus.
»Memme!«, rufe ich zu ihm hinüber.
Er schickt mir das Victory-Zeichen.
Als wir bei den Binsen sind, kommt von der anderen Seite des Teichs ein mächtiges Krachen. Zwei riesige Schwäne landen im Wasser, und Malcolm quiekt wie ein Mädchen.
Die Schwäne sehen sofort ganz ruhig aus, gar nicht so, als wären sie soeben vom Himmel gekommen, und sie gleiten auf Malcolm zu. Ich versuche, ebenfalls auf ihn zuzustaken, aber mit uns beiden auf dem Floß komme ich nur langsam voran. Malcolm springt auf und flüchtet hinter die Bank.
»Was ist los?«, rufe ich.
»Scheiß Schwäne. Die können einem die Arme brechen, weißt du.« Er sieht panisch aus.
»Stimmt das?«, fragt Andy. Er sieht jetzt auch besorgt aus.
»Natürlich nicht«, sage ich. »Das ist bloß so ’ne Geschichte, die alle erzählen. Aber kein Mensch kennt jemanden, dem von einem Schwan die Arme gebrochen worden sind, oder? Idioten.« Wir kommen jetzt immer näher an Malcolm heran.
Die Schwäne sehen aus, als wollten sie bei Malc ans Ufer klettern, und er schreit auf und rennt weg. Er klettert auf die Mauer und setzt sich rittlings darauf.
»Du Memme!« Ich lache ihn aus, als er schnaufend auf der Mauer hockt. Seine dicken Wangen sind glühend rot.
Die Schwäne machen jetzt kehrt und schwimmen zielstrebig auf das Floß mit mir und Andy zu. Mein Magen zieht sich zusammen, und Andy packt mich bei der Jacke.
»Scheiße, verdammt, Jake, die werden uns die Arme brechen«, wimmert er.
Ich schüttle ihn ab und fange an, meine Stange hin und her zu schwenken, um sie zu verscheuchen. »Sei nicht blöd, Andy. Die haben mehr Angst vor uns als wir vor ihnen.«
Der eine richtet sich auf, schlägt mit den riesigen Flügeln und bespritzt uns mit Teichwasser. Er stößt ein furchtbares Krächzen aus und kommt auf uns zu.
»Kommt raus, schnell!«, schreit Malcolm und fuchtelt mit den Armen. »Sie kommen! Sie brechen euch die Arme!« Er hat wahnsinnige Angst, dabei ist er nicht mal im Wasser.
Andy umklammert den Rand des Floßes so fest, dass seine Fingerknöchel weiß sind, und sagt dauernd: Omeingott, omeingott. Ich mache drei kräftige Stöße, und das Floß gleitet ans Ufer. Die Schwäne biegen ab und schwimmen auf die Binsen zu, und ich lache erleichtert, als ich uns an das grasbewachsene Ufer ziehe.
Malcolm springt von der Mauer herunter und kommt auf uns zu. Aus dem Augenwinkel guckt er weiter nach den Schwänen. Er streckt mir die Hand entgegen, und ich steige auf das Gras. Als mein Gewicht das Floß verlässt, rutscht Andy in die andere Richtung und kippt ins Wasser wie ein Sandsack.
»Hilfe!«, schreit er und schlägt entsetzt um sich. »Die Schwäne!«
Ich möchte ihm wirklich helfen, aber Malcolm und ich lachen uns scheckig, als er so im Wasser schreit und tobt. Je wilder er herumrudert, desto komischer sieht er aus. So komisch, dass es tatsächlich so wirkt, als wollte er uns zum Lachen bringen. Schließlich schafft er es, keuchend und prustend an Land zu klettern. Er
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