Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende eines Sommers - Roman

Am Ende eines Sommers - Roman

Titel: Am Ende eines Sommers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Ashdown
Vom Netzwerk:
mich begleiten muss. Na ja, ich wäre auch lieber allein gegangen, wenn ich die Wahl hätte. Vielleicht sollte ich ihr das sagen, dieser launischen Ziege.
    »Bis später«, sagt Debbie, als Mrs Truman die Tür öffnet. Ohne sich umzusehen, schlendert sie durch den Flur davon, in ihrem kurzen, kurzen Röckchen und mit ihrer Pudelkrause.
    »Na, was kann ich für dich tun, junger Mann?« Mrs Truman holt mich herein und deutet auf einen orangegelben Plastikstuhl. Sie weiß nicht mal, wie ich heiße.

 
    Mary,
    Mai 1971
    Es ist früh am Morgen. An der Wand gegenüber hängt eine Uhr. Ich liege im Krankenhausbett, und ich kann mich sehen, wie andere mich vielleicht sehen: die verbrauchte Haut einer Frau, drapiert auf Plastiklaken.
    »Geburtszeit: sechs Uhr fünfundfünfzig«, sagt die eine Hebamme zur andern, während sie das Baby wiegt und das Blut abwischt. Ich kann die beiden nicht auseinanderhalten.
    Die eine sagt: »Braves Mädel, Mary. Sie haben es wirklich gut gemacht. Das Schlimmste ist vorbei!«
    Das Morgenlicht flutet durch die Jalousien, und ich sehe, dass es einer von diesen strahlenden, sauberen Maitagen werden wird, an denen mittags die Fernsicht völlig klar wird. Wenn ich blinzle, sehe ich die Stäubchen in der Sonne tanzen.
    Billy hält meine Hand. »Gut gemacht, Liebling. Es sah schwer aus. Schwerer als bei Matthew?« Er wirkt atemlos, und seine Augen strahlen.
    Ich nicke und starre immer noch die Uhr an. 6:56.
    »Bei Matthew hätte ich auch dabei sein sollen«, sagt er zu dem Hebammen. »Aber da haben sie noch gesagt, ich soll draußen warten.« Er schüttelt den Kopf.
    »Die Zeiten ändern sich, was?«, sagt die eine. »Heutzutage ist es immer mehr der Trend, dass die Väter bei der Entbindung dabei sind.«
    »Okay, die Plazenta sollte jetzt jeden Augenblick kommen«, sagt die andere Hebamme zu mir. »Wenn Sie so weit sind, müssen sie noch einmal kräftig pressen. Ich weiß, Sie haben genug von all dem Pressen, Schätzchen, aber das dürfte jetzt das letzte Mal sein!« Sie ist so munter, obwohl sie die ganze Nacht mit mir wach war. »Da kommt sie«, verkündet sie und schiebt die flache Hand unter meinen Hintern, um sie aufzufangen.
    Sie gleitet aus mir heraus wie ein Organ, ein vollständiges Teil, das meinen Schoß verlässt. Ein Schluchzen reißt sich aus meinem Mund, als mein Magen wieder gegen die Rippen sackt. Die Leere fühlt sich verheerend an.
    Die eine Hebamme reicht mir meinen kleinen Sohn.
    Die andere fragt: »Wollten Sie die Plazenta behalten?«
    Ich versuche sie anzusehen.
    »Ist heutzutage ziemlich beliebt.« Sie lächelt, und ich begreife, dass sie einen Witz macht. »Als Nahrung. Aber, na ja, das ist nicht jedermanns Sache.« Sie schiebt sie weg.
    Das Baby ist wunderschön und hat eine klare, glatte Haut, nicht so runzlig wie bei Matthew. Und sein Kopf ist runder. Die Hebammen und Billy verblassen wie Geister.
    »Okay, dann wollen wir mal Sie zunähen«, sagt die Hebamme und klatscht in die Hände. »Vielleicht brauchen Sie dafür ein bisschen Gas und Sauerstoff. Dad, Sie nehmen das Baby.«
    Meine Beine fühlen sich an wie zwei leblose Gewichte, als sie sie hochhebt und in die Bügel legt. Was für ein würdeloses Gestell. Das erste Eindringen der Nadel brennt wie Feuer. Ich sauge am Gas und ziehe einen Schrei zurück in die Lunge. Wieder und wieder bohrt sich die Nadel in meine wunde Haut. Meine Augen rollen in die Höhlen zurück, und meine Schreie werden verschluckt.
    Nach fünf Stichen hört sie auf.
    »Shirley, sieh dir das mal an, ja? Ich glaube, dafür brauchen wir den Doktor.«
    Die andere Hebamme beugt sich vor und späht zwischen meine Beine. Sie schiebt den Finger hinein und wackelt damit hin und her. »Hmmm. Sicher ist sicher. Ich würde den Doktor holen.« Beide verschwinden im Flur, um einen Arzt zu suchen.
    Billy sitzt neben mir und betrachtet das Baby. Von dem Gespräch über die Naht hat er nichts mitbekommen. Ich habe ihm das Gesicht zugewandt und fange an wegzudösen, aber ich will mein Baby. Kraftlos strecke ich die Hände nach ihm aus, und Billy legt es wieder in meine Arme.
    »Jake.« Ich schließe die Augen und spüre meine Wange an seiner warmen Haut.
    »Gefällt mir. Männlich. Ungewöhnlich. Ist cool. Wäre er dann ein Jacob?«
    »Einfach Jake.« Meine Beine geraten in einen Schockzustand, weil sie immer noch in den Bügeln hängen. 7:29. Meine Fußknöchel zittern in den Halftern, und meine Waden zucken krampfhaft. Lautlose Tränen laufen mir über das

Weitere Kostenlose Bücher