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Am Ende eines Sommers - Roman

Am Ende eines Sommers - Roman

Titel: Am Ende eines Sommers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Ashdown
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»Ich meine, sie war schon wieder normal, bevor Gypsy gekommen ist. Obwohl – sie hat Mum dazu gebracht, mit dem Rauchen aufzuhören. Sie redet immer davon, dass der Körper ein Tempel wäre, und Mum macht das anscheinend mit. Blöd ist nur, dass Gypsy so ein beschissenes Zeug kocht, und Mum will uns dazu bringen, dass wir es essen. Ich meine, hast du jemals von Kichererbsen gehört? Oder Couscous? Ein Scheiß-Hippiefraß, wenn du mich fragst.«
    Dad lacht und knufft mich in den Nacken. Andy steht unten am Wasser und schaut sich irgendwas an.
    »Der arme Kerl, er hat meine dürren Beine geerbt.« Dad beschirmt sich die Augen und späht hinüber zu Andy.
    »Sehe ich aus wie du, Dad?«, frage ich, ohne ihn anzusehen.
    Er überlegt kurz, bevor er antwortet. »Nicht sehr, Sohnemann. Ich glaube, du kommst eher auf die Familie deiner Mutter.« Er sieht mich an. »Glück gehabt, du bist ein hübsches Kerlchen, Jakey.«
    Ich renne los, schnappe mir einen großen Fetzen Tang und jage Andy über den Strand. Er ist schneller als ich, und ich sehe, wie er ein dickes Bündel vom dem Zeug aufhebt, mit weit aufgerissenen Augen und irrem Blick. Er hält es hoch, drapiert es sich über Kopf und Schultern und kommt mir entgegen, taumelnd wie ein Zombie.
    »Das Ungeheuer – aus – der – schwarzen – Lagune …«, heult er mit Monsterstimme und torkelt mit ausgestreckten Armen auf mich zu.
    Ich renne im Zickzack über den Strand, rudere mit den Armen und schreie, als hätte ich eine Heidenangst. Dad lacht, und ich verdrücke mich hinter ihn und halte mich an seiner Jacke fest.
    »Rette mich, Dad – es ist – es ist grauenhaft!«
    Andy kann nicht mehr ernst bleiben, und wir lachen alle, als er den Seetang abstreift und feststellt, dass eine schleimige Schicht auf seinen Haaren und seiner Jacke zurückbleibt.
    »Du Sumpfmonster«, schreie ich und muss wieder lachen, als ich sehe, in welchem Zustand er ist. Das Dumme bei Andy ist, er weiß nie, wann er aufhören muss. Den Gestank wird er aus seiner Jacke nie mehr rauskriegen.
    Als wir wieder bei Dad sind, flitzen wir nacheinander aufs Klo, und dann sagt er, er bringt uns nach Hause.
    »Dann kann ich Gypsy Hallo sagen und einen Tee trinken«, sagt er.
    »Uuuuh-uuuh, Gypsy«, kräht Andy mit Mädchenstimme. Er zieht sein T-Shirt mit Daumen und Zeigefingern nach vorn und macht sich Tittis, und dann läuft er hinternwackelnd im Zimmer herum wie ein kleiner Idiot. »Halloooo, Jakeeeeey. Möchtest du eine Mung-Bohne?« Er kommt ganz nah an mich heran. »Oder vielleicht ein kleines Kussi-Bussi?«
    Er kneift die Augen zusammen und macht einen spitzen Mund. Dad grinst. Und dann boxe ich Andy voll auf das rechte Ohr, richtig fest, und er fällt auf den Boden, rollt sich hin und her und hält sich das glühend heiße Ohr. Dad starrt mich nur an, als wäre ich verrückt geworden.
    »Los, gehen wir, ihr zwei«, sagt er. Im Hinausgehen versucht Andy, mich zu treten.
    Zu Hause finden wir einen Zettel von Mum in der Küche: Sie sind heute weg und bringen ein Lebensmittelpaket zu einer Freundin von Gypsy in Greenham Common. Sie werden erst spät zurück sein.
    Dad schüttelt den Kopf, als er das liest. »Verflucht noch eins, es ist schlimmer, als ich dachte«, sagt er.
    »Wie kommen sie denn dahin?«, frage ich. Ich habe Greenham Common in den Nachrichten gesehen und stelle mir vor, dass es ganz weg ist.
    »Das weiß der Himmel, Jakey. Verdammt, wahrscheinlich fahren sie per Anhalter oder so.«
    »Aber wir wollten morgen Nachmittag auf die Isle of Wight fahren. Ist sie denn bis dahin wieder da?« Andy sieht echt besorgt aus.
    »Keine Ahnung.« Dad schaut Andy nicht richtig an, und der ist jetzt den Tränen nahe. Dad klappt eine Schranktür nach der andern auf und sieht nach, ob etwas zu essen da ist. »Okay, Jake, da sind Eier, und Brot ist auch da, und jede Menge Cornflakes. Und ein Viertelliter Milch. Meinst du, damit kriegst du ein Abendessen für euch beide zusammen?«
    Andy ist ins Wohnzimmer gegangen. Von der Spüle aus kann ich seinen Hinterkopf sehen.
    »Na klar«, sage ich. »Was ist mit deinem Tee, Dad? Ich mach dir einen.«
    Aber Dad hat nicht mal die Jacke ausgezogen. »Lieber nicht, Sohnemann. Ich hab noch zu tun. Ruf mich morgen früh an, wenn eure Mum bis dahin nicht wieder zurück ist.«
    Er umarmt mich kurz und beugt sich über die Sofalehne, um Andy auf den Scheitel zu küssen.
    »Seid brav«, sagt er, dann fällt die Tür zu, und er ist weg.

 
    Mary,
    November 1973
    Die ersten

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