Am Ende eines Sommers - Roman
ich die Schlange aufhalte. Andy braucht ewig, bis er mit dem Geld zurückkommt, und als er endlich da ist, ist mein Gesicht so rot wie die Samtpolster. Als die Eisverkäuferin sagt: »Bitte sehr, Schätzchen. Der Nächste«, wird mir klar, dass es dieselbe alte Schachtel ist, die uns am Süßwarenschalter bedient hat. Ob sie wohl auch am Filmprojektor steht?
Nach dem Kino kaufen wir am Meer Fish and Chips und spazieren damit an der Promenade entlang, bis wir eine anständige Bank gefunden haben.
»Ja, so sehen Fritten aus«, sagt Dad, hält eine dicke, fette, salzige Fritte hoch und dreht sie im Sonnenlicht. »Nicht dieser Müll von Wimpy oder Burger King. Richtige Fritten aus einer richtigen Frittenbude.« Er schiebt sie in den Mund, schließt die Augen und sieht aus, als wäre er im Frittenhimmel.
»Ein Spitzenfilm, Dad«, sage ich, mampfe meine Fritten und sehe zu, wie die Flut über den Strand und wieder zurück rollt. Es ist ein schöner Tag, und auf dem Strand wimmelt es von Familien. Weit weg sehe ich einen Mann mit einem Eimer, der mit einer Forke den Sand umgräbt. Seine zwei Kinder rennen kreischend herum und beschmeißen sich mit Seetang.
»Was macht der da, Dad?«, fragt Andy.
»Ringelwürmer suchen. Zum Angeln. Der beste Köder, den es gibt. Jedenfalls für das Angeln im Meer.«
»Kannst du denn angeln?«, frage ich. Davon hat er noch nie etwas gesagt.
»Hab’s früher getan. Vor allem, als ich wieder in Portsmouth war. Da bin ich angeln gegangen, sooft es ging. Damals hab ich meist unser Abendessen gefangen. Nur nicht, als eure Mum euch beide erwartete. Da hat sie überhaupt keinen Fisch gemocht. Sie sagte, ihr dreht sich davon der Magen um.«
»Nimmst du uns mal mit?«, fragt Andy, und sein Gesicht ist ganz rosig und voller Hoffnung. »Zum Angeln?«
»Hab die Ausrüstung nicht mehr, Sohnemann. Und ich würde heutzutage auch nichts mehr essen wollen, was da aus dem Wasser kommt. Umweltverschmutzung und so, weißt du.«
Wir sitzen da, essen unsere Fish-and-Chips und schauen hinaus auf das funkelnde Meer. Von hier aus sieht das Wasser prachtvoll aus, nicht verschmutzt. Ich werfe einen Blick zu Andy hinüber: Er träumt. Mechanisch schiebt er sich die Fritten in den Mund und lässt die Beine baumeln. Nach meiner Uhr ist es kurz vor zwei. Wir haben also noch ein paar Stunden Zeit mit Dad.
»Und jetzt?«, frage ich.
»Ein Gesundheitsspaziergang«, sagt Dad, und wir knüllen unser Frittenpapier zusammen und gehen die Treppe hinunter zum Strand.
Andy rennt vor und fängt an, mit einem Stock in den Tanghaufen herumzustochern. Egal, wo wir hingehen, Andy findet immer einen guten Stock zum Stochern.
»Örghh! Eklig!«, heult er und kippt einen toten Krebs auf den Rücken. Das gehört zu den Dingen, die ich am Strand so toll finde: Man kann schreien und brüllen und johlen, so laut man will, und niemand guckt einen komisch an oder sagt, man soll aufhören. Manchmal muss man einfach schreien.
»Wie geht’s denn eurer Mum, Jakey?«, fragt Dad.
»Wirklich gut«, antworte ich wahrheitsgemäß. »Jetzt bestimmt schon – na ja, seit ein paar Wochen. Andy ist vor den Halbzeitferien wieder nach Hause gekommen, weißt du. Also seitdem.«
»Das ist schön, Sohnemann. Und was treibt sie heute? Ich wette, sie war noch im Bett, als ihr gegangen seid, oder?«
»Nein! Das ist es ja. Sie steht jeden Morgen mit uns auf. Und, weißt du, wir gehen ja jetzt nicht mehr zur Schulspeisung, und sie macht uns auch jeden Tag unsere Lunchboxen fertig.«
»Wieso geht ihr nicht mehr zur Schulspeisung? Die kostet doch nichts, oder?«
»Nein, aber das ist peinlich, Dad. In meiner Klasse sind nur zwei, die da hingehen. Keiner möchte zu den Schulspeisungsschülern gehören.«
Dad sagt nichts. Er spaziert einfach weiter am Strand entlang, die Hände in den Jackentaschen.
»Und weißt du, dass Gypsy bei uns wohnt?«
Er zieht die Brauen zusammen. »Gypsy?«
»Mums alte College-Freundin. Sie sagt, sie erinnert sich an dich. So ’ne dünne Blonde, weißt du? ’ne Art Hippie, nehme ich an.«
Dad sieht ein bisschen verwirrt aus und fährt sich mit den Fingern durch die Nackenhaare. »Du meinst, sie wohnt bei euch zu Hause?«
Ich nicke.
»Wie lange?«
»Keine Ahnung.«
»Na, was sagt man dazu«, brummt er schließlich. »Tja, wenn es eurer Mum guttut, können wir uns nicht beschweren, was?«
»Aber sie ist nicht der Grund, dass es Mum besser geht, oder?« Ich möchte nicht, dass er das denkt, weil es nicht stimmt.
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