Am Ende siegt die Liebe
gestellt«, bemerkte Marc. Er setzte sich an den Tisch und warf noch einen Blick in die Morge nzeitung. Es kam selten vor, daß er in aller Ruhe frühstücken konnte. Meistens riefen nach sieben schon die ersten Patienten an.
Franziska Löbl kam kurz nach Tina. Auch sie wunderte sich, daß die Sprechstundenhilfe an diesem Morgen bereits hinter ihrem Schreibtisch saß. »Ist etwas passiert?« schrieb sie auf ihren Block, als sie Tinas verweinte Augen bemerkte.
Tina schüttelte den Kopf. »Was soll schon passiert sein?« fragte sie. »Ich...« Sie wurde vom Läuten des Telefons unterbrochen. »Praxis Dr. Schumann«, meldete sie sich.
Franziska dachte nicht daran, so schnell aufzugeben. Sie blieb in der Anmeldung. Im Moment hatte sie noch keinen Patienten und somit etwas Zeit.
Dr. Schumann kam durch die Verbindungstür. »Guten Morgen, allerseits«, grüßte er freundlich. »Was macht dein Vater, Franziska? - Mal sehen, vielleicht schau ich heute abend mal bei ihm vorbei.«
»Soweit geht es ihm ganz gut«, schrieb die junge Frau. Sie war seit einem Unfall in ihrer Kindheit stumm und konnte sich anderen nur mittels eines Schreibblocks mitteilen.
»Und die Laune?«
»Durchwachsen.«
»Frau Bölzle hat gerade angerufen, Herr Doktor«, sagte Tina. »Sie kommt heute nachmittag in die Sprechstunde.«
»Wahrscheinlich geht es ihr nicht sonderlich«, vermutete Marc. »Das Wetter wird ihr zu schaffen machen. So schwül ist es auch schon lange nicht mehr ge wesen.« Er sah Tina an. »Warum haben Sie geweint? - Was ist denn passiert?«
»Ich habe nicht geweint«, log die junge Frau und stand auf, um die Krankenakten der Patienten, die an diesem Vormittag erwartet wurden, aus dem Schrank zu nehmen.
Franziska trat zu ihr und legte den Arm um ihre Schultern. Sanft drückte sie die Sprechstundenhilfe an sich.
Tina holte tief Luft. »Es ist wegen meinem Freund. Er hat mich belogen«, gestand sie und erzählte stockend, was am Vorabend passiert war. »Warum hat er das getan? - Er hat es doch nicht n ötig, mich zu belügen.«
»Haben Sie ihn heute morgen noch einmal gefragt, wo er g ewesen ist?« erkundigte sich Marc. Er hielt nicht besonders viel von Markus, doch das sagte er nicht.
Tina nickte. »Markus meinte, ich könnte froh sein, wenn er überhaupt noch nach Hause kommen würde. Er hätte es satt, von mir bevormundet zu werden.« Sie griff nach einem Papiertuch und schneuzte sich heftig. »Es steckt bestimmt eine andere Frau d ahinter. Ich spüre es in jeder Faser meines Herzens.«
»Wenn es so wäre, dann sollten Sie ihm nicht nachweinen«, meinte Dr. Schumann. »Ein so hübsches Mädchen wie Sie hat es doch nicht nötig...«
»Ich liebe" ihn nun mal«, flüsterte Tina. »Manchmal weiß ich zwar nicht warum, aber...«
»Wir sprechen heute mittag darüber«, fiel ihr Marc ins Wort, weil er das Klappern der Eingangstür gehört hatte. Er berührte die Schulter der jungen Frau. »Kopf hoch.«
»Guten Morgen«, grüßte Werner Preiß.
»Guten Morgen, Herr Preiß.« Marc wies zum Wartezimmer. »Nehmen Sie doch bitte noch einen Moment Platz.«
»Gern.« Der Mann verschwand hinter der nächsten Tür.
Der Arzt wandte sich erneut seiner Sprechstundenhilfe zu. Tina hatte sich soweit wieder gefaßt. »Geht es?« fragte er.
»Ja«, erwiderte sie und schenkte ihm ein schwaches Lächeln. »Danke.«
»Schon gut.« Er nickte ihr zu und ging zu seinem Sprechzi mmer.
Franziska nahm Tina noch einmal in den Arm. Liebeskummer war ihr nicht unbekannt. Alle ihre Träume und Sehnsüchte galten Marc, obwohl sie genau wußte, daß er stets nur eine gute Freundin in ihr sehen würde. Aber sie hatte wenigstens das Glück, mit ihm zusa mmenarbeiten zu dürfen.
An diesem Vormittag gaben sich die Patienten fast die Tür in die Hand. Marc kam nicht mehr dazu, an Tinas Liebeskummer zu denken. Selbst in der Kaffeepause beschäftigte er sich mit den Krankenunterlagen eines Patienten. Er war froh, daß nicht auch noch ein Notfall dazwischen kam und er aus der Sprechstunde fortgerufen wurde.
Kurz vor Mittag betrat Stefan Eschen das Sprechzimmer. Der junge Mann gab sich betont munter, obwohl er sich keineswegs so fühlte. »Ich bin in der Pension Bartels abgestiegen, Herr Doktor«, sagte er, nachdem sie schon ein paar Worte gewechselt ha tten.
»Nette Leute. Ich kenne sie flüchtig«, meinte Marc. »Und was führt Sie zu mir?«
Stefan reichte ihm das Kuvert mit seinen Krankenunterlagen. »Mein Hausarzt meinte, daß es besser sei, ich
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