Am Ende siegt die Liebe
Pläne zunichte gemacht.
Stefan atmete tief durch und kehrte ins Zimmer zurück. Auf dem Tisch stand sein Laptop. Er schrieb an einem Buch über die Frü hgeschichte der Kelten, sein Spezialgebiet. Fast zärtlich strich er über die Tastatur des kleinen Computers. Wenigstens diese Arbeit würde ihm keiner nehmen können. Es...
Er starrte auf seine Hände, bewegte die Finger. Ein kalter Schauer rann über seinen Rücken, als er daran dachte, daß die Krankheit auch auf seine Finger übe rgreifen konnte.
Der junge Mann preßte die Hände zu Fäusten. Es darf nicht sein, dachte er verzweifelt. Es muß etwas geben, was mir helfen kann. Der Facharzt, den er vor drei Wochen aufgesucht hatte, hatte ihm zwar versichert, daß man auch mit Multipler Sklerose ein relativ normales Leben führen konnte, doch die Angst, eines Tages vielleicht im Rollstuhl sitzen zu müssen, brachte ihn fast um den Verstand.
»Du wirst es schaffen.«
Stefan drehte sich um. Obwohl er völlig allein im Zimmer war, hatte er ganz deutlich eine Stimme gehört. Es dauerte ein paar Sekunden, bevor ihm bewußt wurde, daß diese Stimme aus ihm selbst gekommen war. Ich muß es schaffen, dachte er und atmete tief durch. Ich darf mich nicht aufgeben und ich werde es auch nicht. Entschlossen straffte er die Schultern.
* * *
Tina Martens parkte ihren Wagen. Überrascht stellte sie fest, daß das Motorrad ihres Freundes noch nicht in der Garage stand. Markus Klenk kam gewöhnlich vor ihr von der Arbeit. Nun ja, vielleicht mußte er Überstunden machen. In einer Autowerkstatt war das nichts Ungewöhnliches.
Sie nahm die Tasche mit den Einkäufen, die sie in der Mittagspa use erledigt hatte, aus dem Fond ihres Wagens und brachte sie zu der kleinen Dachgeschoßwohnung hinauf, die sie vor vier Jahren in Gmund gemietet hatte.
Als sie die Wohnungstür öffnete, kam ihr auch schon Timon, ein kleiner schwarzer Kater, mit anklagendem >Miau< entgegen. Er rieb sein Köpfchen an ihren Beinen. Sie stellte die Tasche ab und hob ihn hoch, um ihn erst einmal ausgiebig zu begrüßen.
Timon war an diesem Abend weniger auf Liebkosungen aus, als darauf, endlich sein Futter zu bekommen. Kaum hatte ihn die junge Frau wieder auf den Boden gestellt, strebte er auch schon der Küche zu und stieß mit dem Kopf gegen seinen Napf.
»Immer mit der Ruhe, Timon, dein Abendessen kommt schon.« Tina öffnete rasch eine Dose und füllte den Napf. »Guten App etit«, wünschte sie lachend. Sie mußte an den >Katzenkrimi< denken, den sie vor einigen Wochen gesehen hatte. In >Felidae< wurden die Menschen von den Katzen als Dosenöffner bezeichnet.
Die junge Frau brühte sich eine Tasse Tee auf und machte sich an die Zubereitung des Abendessens. Hin und wieder warf sie einen Blick zur Uhr. Wo blieb Markus nur? - Wenigstens anrufen hätte er können, um ihr zu sagen, wann er nach Hause kommen würde.
Es wurde acht... halb neun... Tina hielt es nicht länger aus. Markus haßte es zwar, wenn sie ihm nachtelefonierte, aber es konnte ja auch etwas passiert sein. Sie wählte die Nummer der Autowerkstatt. Anton Gruber, der Besitzer, meldete sich. »Bitte, entschuldigen Sie die Störung«, bat sie, nachdem sie ihren Namen genannt hatte. »Ist Markus noch da?«
»Markus? - Nein, Frau Martens«, erwiderte Anton Gruber überrascht. »Ihr Freund ist bereits um sechs g egangen.«
»Sie wissen nicht, ob er etwas vorhatte?«
»Etwas vorhatte? - Könnte schon sein. Er stand nämlich im Waschraum und hat sich nach dem Duschen noch rasiert.«
»Danke«, sagte Tina. »Einen schönen Abend.« Bedrückt legte sie auf.
Markus unternahm oft etwas ohne sie. Er besaß eine Menge Freunde, für die sie nichts übrig hatte. Aber bis jetzt war es noch nie vorgekommen, daß er ihr nichts gesagt hatte, wenn er den Abend ohne sie verbringen wollte.
Nach kurzer Überlegung rief Tina die Polizei an und erkundigte sich, ob es einen Unfall gegeben hatte. Markus verbrachte einen großen Teil seiner Freizeit auf dem Motorrad, und sie wußte, daß er oft äußerst riskant fuhr. Erleichtert atmete sie auf, als man ihr sagte, daß in der ganzen Gegend kein Unfall gemeldet worden war.
Die junge Frau nahm sich ihr Abendessen und setzte sich damit ins Wohnzimmer. Im Fernsehen lief ein Kriminalfilm, aber sie bekam nur die Hälfte von der Handlung mit, weil sie sich ununterbrochen fragte, weshalb ihr Freund nicht wenigstens anrief. Markus hatte sich seit Ostern sehr verändert. Er war noch seltener zu Hause als früher,
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