Am Ende siegt die Liebe
Sie werden sicher auch wissen, daß es mir meine Schweigepflicht verbietet, über Patienten Auskünfte zu erteilen.«
»Natürlich weiß ich das, Herr Doktor, und so ein Ansinnen hätte ich Ihnen auch niemals gestellt«, beeilte sich Jochen zu ve rsichern. »Ich möchte nur, daß Sie mit mir im Allgemeinen über diese Krankheit sprechen. Was weiß ich schon über Multiple Sklerose? Natürlich mache ich mir in Bezug auf meine Tochter große Sorgen. Ich möchte nicht, daß sie sich an einen Mann bindet, der vielleicht schon im nächsten Jahr für immer gelähmt sein wird.«
»Mögen Sie Herrn Eschen?«
»Sogar sehr.« Jochen nickte. »Im Grunde genommen wäre Herr Eschen genau der Mann, den meine Frau und ich uns für Daniela gewünscht hätten.«
Dr. Schumann merkte, daß Jochen Flechner die Wahrheit sprach. Und er konnte die Sorgen verstehen, die der Mann sich machte. Immerhin ging es um das Glück seiner Tochter. »Passen Sie auf, Herr Flechner«, sagte er. »Wir werden unser Gespräch auf die Terrasse verlegen und uns bei einer Tasse Kaffee in aller Ruhe miteinander unterhalten.«
Jochen atmete sichtlich auf. »Ich bin froh, daß Sie Verständnis für meine Situation haben, Herr Doktor«, meinte er und stand auf. »Meine Tochter liebt Herrn Eschen nun einmal, und ich möchte wenigstens wissen, was auf sie zukommen kann.«
Franzl hatte im Treppenhaus vor der Verbindungstür zur Praxis gelegen, um dort auf sein Herrchen zu warten. Als er hörte, wie die Tür geöffnet wurde, sprang er auf und begann aufgeregt zu bellen.
»Ist ja gut, Franzl, ist ja gut«, versuchte Marc seinen Hund zu beruhigen, als dieser an ihm hochsprang. »Schau, ich habe einen Gast mitgebracht.«
Franzl schnüffelte schwanzwedelnd an Jochens Händen, ließ dann jedoch wieder von diesem ab, um sich erneut gegen Marc zu werfen. Schließlich rannte er zur Haustür und blieb dort abwartend stehen.
»Später, Franzl, später«, vertröstete ihn der Arzt. »Jetzt gehen wir erst einmal in den Garten.« Er wandte sich seiner Haushälterin zu, die aus der Küche gekommen war. »Herrn Flechner kennst du ja, Katharina«, meinte er. »Bitte, brüh uns einen Kaffee auf. Wir sind draußen auf der Terrasse.«
»Der Kaffee kommt sofort«, versprach Katharina und ve rschwand in der Küche.
Dr. Schumann und sein Gast nahmen auf der Terrasse Platz. Franzl legte sich zu ihnen unter den Tisch. Hin und wieder stieß er ein abgrundtiefes Seufzen aus, das aller Welt zeigen sollte, was für ein armer Hund er war. Da hatte er den ganzen Nachmittag auf sein Herrchen gewartet, und statt das anzuerkennen und mit ihm spazierenzugehen, kümmerte sich sein Herrchen immer noch nicht um ihn.
Franziska gab der kleinen Simone ein Schokoladentäfelchen und schrieb auf einen Zettel den nächsten Behandlungstermin.
»Haben Sie den Eindruck, daß sich Simones Fuß langsam be ssert?« fragte Frau Eisele, als sie mit ihrer Tochter die Praxis verließ.
Franziska nickte. Sie zog ihren Block aus der Tasche. »Bis S imone zur Schule kommt, wird sie ganz normal laufen können«, erwiderte sie schriftlich.
»Na, Gott sei Dank«, meinte Frau Eisele. »Simone, sag auf Wiedersehen. Wir müssen uns beeilen. Der Papa wartet sicher längst auf uns.«
»Tschüs!« Simone warf Franziska ein Kußhändchen zu.
Tina hatte bereits ihre Sachen zusammengepackt. Sie vera bschiedete sich von Franziska, die noch einige Büroarbeiten zu erledigen hatte, und verließ die Praxis. Tief in Gedanken ging sie zu ihrem Wagen.
»Tina!«
Die junge Frau zuckte heftig zusammen. »Was tust du hier, Markus?« fragte sie erschrocken, als sie ihren früheren Freund auf sich zukommen sah.
»Ich habe auf dich gewartet«, sagte er und wies zu seinem Motorrad. Er hatte es so vor dem Garten geparkt, daß man es vom Haus aus nicht sehen konnte.
»Und warum?« fragte sie kalt, obwohl sich alles in ihr danach drängte, sich in seine Arme zu werfen. Sie verachtete sich dafür und wußte dennoch, daß sie gegen dieses Gefühl vorerst nicht ankommen konnte.
»Es tut mir leid, Tina.« Markus machte ein betretenes Gesicht. »Ich bin ein Idiot. Ich weiß nicht, weshalb ich dir so etwas antun mußte. Wenn ich ehrlich bin, muß ich zugeben, daß du die einzige Frau bist, die ich stets li eben werde.«
Das waren die Worte, auf die Tina an jenem Abend, an dem sie Markus gesagt hatte, daß sie mit ihm Schluß machen würde, g ewartet hatte. Sie wußte nur zu gut, daß sie ihm nicht trauen durfte. »Hat dich deine
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