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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Weisheit zu tun hatte. Es war seine Vergangenheit, es war seine Gegenwart, es war The Blade.
    Als die Gedichte eingesammelt wurden, legte er sein Blatt auf den Stapel und ging hinüber zum hinteren Ende des Raums, wo der Tisch mit den Getränken und Süßigkeiten aufgebaut war. Joel nahm sich zwei Ingwerplätzchen und eine Tasse Kaffee. Noch nie zuvor hatte er Kaffee getrunken. Nach einem Schluck fügte er reichlich Milch und Zucker hinzu. Er trat beiseite, und als Ivan zu ihm kam, nickte er.
    »Ich habe gesehen, dass du etwas für >Du hast das Wort< ver- fasst hast«, bemerkte Ivan und legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter. »Wie hast du dich dabei gefühlt? Bist du beim Schreiben schon wieder etwas gelassener geworden?«
    »Bisschen«, antwortete Joel, obwohl er nicht ganz sicher war, ob es die Wahrheit war. Mit den Gedichten, die er zu Hause geschrieben hatte, konnte man bestenfalls den Mülleimer auslegen, und hier und heute war es ihm erstmals seit einer Ewigkeit gelungen, wieder so etwas wie Spontaneität im Umgang mit Worten zu finden.
    »Großartig«, sagte Ivan. »Ich drück dir die Daumen. Und ich bin froh, dass du wieder bei uns bist. Vielleicht entschließt du dich ja nächstes Mal, ans Mikro zu gehen? Du könntest Adam ein bisschen Konkurrenz machen, ehe sein Erfolg ihm gar zu sehr zu Kopf steigt.«
    Joel antwortete mit dem kleinen Lachen, das Ivan zweifellos erwartete. »Nich' sehr wahrscheinlich, dass ich besser sein könnte als er«, bemerkte er.
    »Da bin ich nicht so sicher«, entgegnete Ivan. Er entschuldigte sich mit einem Lächeln, ging zu der jungen Chinesin hinüber und verwickelte sie in ein Gespräch.
    Joel blieb neben dem Tisch mit den Erfrischungen stehen, auch als die Juroren mit den eingereichten Texten zurückkamen. Er nahm an, die Chinesin hätte gewonnen, denn sie war mit einem Thesaurus bewaffnet gekommen und hatte angefangen, wie verrückt in ihr Notizbuch zu kritzeln, sobald Ivan das erste Wort vorgelesen hatte. Doch als einer der Juroren Ivan das Blatt mit dem prämierten Werk überreichte, erkannte Joel einen diagonalen Riss, der entstanden war, als er es von seinem
    Spiralblock abgerissen hatte. Sein Herz fing an zu pochen, noch ehe Ivan die erste Zeile vorgelesen hatte.
    Joel hatte Adam Whitburn geschlagen. Er hatte sämtliche Teilnehmer von »Du hast das Wort« geschlagen. Er hatte bewiesen, dass er nicht nur ein »Meister von morgen« war, sondern bereits jetzt ein Dichter.
    Nach dem Vortrag folgte eine kurze Stille, ehe die Zuhörer zu klatschen begannen. Als hätten sie innehalten und die Leidenschaft der Worte in sich aufnehmen müssen, um diese Leidenschaft selbst zu spüren, ehe sie darauf reagieren konnten. Und Joel musste gestehen, dass auch für ihn die Worte dieses Mal Leidenschaft waren. Sie spiegelten authentisch wider, was er fühlte, sie waren wie Splitter von dem Holz, aus dem er geschnitzt war.
    Als der Applaus verebbte, bat Ivan: »Würde der Verfasser bitte aufstehen, damit wir ihn oder sie feiern können?«
    Joel trat einen Schritt vor. Wieder hörte er Beifall aufbranden. Das Einzige, was er in diesem Moment denken konnte, war, dass er sie alle bei diesem Spiel geschlagen hatte, das doch ihr Spiel war. Und das hatte er erreicht, indem er die Lehre, die man ihm bei seinem ersten Besuch erteilt hatte, beherzigt hatte: frei von der Seele weg und ohne seine Gefühle zu zensieren. Für einen kurzen Moment war er tatsächlich ein Dichter gewesen.
    Als er auf das Podest trat und Ivan ihm die Hand schüttelte, schien sein Gesichtsausdruck zu sagen: Siehst du?, und Joel las darin genau das, was es war: Freundschaft, Kameradschaft und Anerkennung seines Talents. Dann wurden ihm die Preise überreicht: ein ledergebundenes Notizbuch für zukünftige Werke, eine Urkunde und fünfzig Pfund.
    Joel starrte auf den Geldschein in seiner Hand. Er drehte ihn um und studierte Vorder- und Rückseite, fassungslos über seinen unerwarteten Reichtum. Plötzlich schien es, als habe seine Welt sich radikal verändert.
    Adam Whitburn hatte anscheinend keine Probleme damit, diesmal unterlegen zu sein. Er war der Erste, der Joel gratu-lierte, als der Abend zu Ende ging. Joel bekam auch von anderen Teilnehmern Glückwünsche, aber Adams bedeuteten ihm am meisten - ebenso wie die Einladung, die Adam aussprach, sobald der Kellerraum aufgeräumt und ausgefegt war.
    »Wir geh'n noch 'n Kaffee trinken, Bruder«, sagte er. »Ivan kommt auch mit. Haste Lust?«
    »Hat Ivan gesagt

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