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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Zukunftspläne an seinen Notendurchschnitt denken. Zukunftspläne waren eine Ausrede, die Ivan gefallen würde, glaubte er.
    Unglücklicherweise hatte Ivan genau das gemacht, was Joel nicht gemacht hatte, nämlich seine Hausaufgaben. Das sah Joel auf den ersten Blick, als er ins Besprechungszimmer kam. Der Mentor hatte einen aufgeschlagenen Aktenordner vor sich liegen, der, wie Joel völlig richtig vermutete, nichts Gutes verhieß. In dieser Akte standen sämtliche aktuellen Schulnoten, die er erzielt hatte.
    »Hey, Mann«, sagte Joel gekünstelt freundlich. »Lange nich' geseh'n.«
    »Wir haben dich bei Führt Worte vermisst«, erwiderte Ivan freundschaftlich und schaute von der Akte auf. »Zuerst dachte ich, du hättest dich in den Schulbüchern vergraben, aber das scheint nicht der Fall zu sein. Du bist ganz schön abgerutscht. Wie kommt's?« Einladend zog er einen Stuhl für Joel unter dem Tisch hervor. Er hatte sich einen Kaffee im Pappbecher mitgebracht, von dem er nun trank, aber er behielt Joel über den Rand hinweg die ganze Zeit im Blick.
    Joel wollte Ivan nichts erzählen. Eigentlich wollte er überhaupt nicht reden, mit niemandem. Schon gar nicht über seine Schulnoten. Und da er seit dem Feuer auf dem Kahn kein Gedicht mehr verfasst hatte, konnte er mit Ivan auch nicht über die Dichtkunst sprechen. Er tippte mit der Fußspitze auf den glänzenden blauen PVC-Boden. Schließlich sagte er: »Der Stoff is' schwierig dieses Jahr. Und es gibt andere Sachen, die mich beschäftigen. Ich musste mich um Toby und so kümmern.«
    »Was mag >und so< sein?«, erkundigte sich Ivan.
    Joel betrachtete ihn, und sein Gefühl sagte ihm: Falle.
    Ivan betrachtete Joel, und sein Gefühl sagte ihm: Lüge. Er hatte durch Nachbarschaftsklatsch von dem Feuer auf dem Boot erfahren, und seine Kenntnis der Ereignisse hatte sich konkretisiert, als er einen Anruf von Fabia Bender erhalten hatte. Sie hatte wissen wollen, ob er sich immer noch mit Joel Campbell treffe. Der Junge liefe Gefahr, in ernstliche Schwierigkeiten zu geraten, und brauche unbedingt ein männliches Vorbild. Die Tante sei überfordert und habe alle Hände voll zu tun, aber wenn Mr. Weatherall seinen Kontakt zu Joel wieder aktivieren würde, könnten er und Fabia ihn vielleicht von dem Kurs abbringen, den er eingeschlagen zu haben schien. Ob Mr. Weatherall von dem Vorfall mit dem Boot gehört habe ...?
    Ivan hatte die Dinge in Bezug auf Joel ein wenig schleifen lassen. Er hatte so furchtbar viel um die Ohren mit dem Lyrikkurs, dem Drehbuchkurs, dem Filmprojekt, das er auf die Beine zu stellen hoffte, und einem kranken Bruder in Shropshire, der soeben die Quittung für achtundvierzig Jahre Kettenrauchen erhalten hatte. Aber Ivan war kein Mann, der Ausreden erfand. Er gestand Fabia Bender, dass er nachlässig gewesen sei, wofür er sich entschuldigte, denn normalerweise hielt er einmal eingegangene Verpflichtungen. Es lag nicht etwa daran, dass es ihm an Interesse an Joel mangelte, sondern vielmehr an Zeit. Doch er werde dieser Situation sofort abhelfen.
    Joel zuckte die Achseln - das gestische Äquivalent zu dem ewigen »Mir doch egal«, das Teenager in Hunderten verschiedener Sprachen auf wenigstens drei Kontinenten und zahllosen im Pazifik verstreuten Inseln zum Ausdruck brachten. Hauptsächlich liege es an Toby, erklärte Joel. Der Kleine habe jetzt ein Skateboard, und Joel bringe ihm bei, damit umzugehen, sodass er in der Skate-Bowl in Meanwhile Gardens damit fahren könne.
    »Du bist ihm ein guter Bruder«, bemerkte Ivan. »Er bedeutet dir viel, nicht wahr?«
    Joel antwortete nicht, tippte lediglich wieder mit dem Fuß auf die Erde.
    Ivan versuchte es anders. »Ich tue so etwas normalerweise nicht, Joel«, sagte er. »Aber vielleicht ist es etwas, das einfach getan werden muss.«
    »Was?« Joel schaute auf. Ivans Ton gefiel ihm ganz und gar nicht. Er klang halb bedauernd, halb unentschlossen.
    »Das Feuer auf dem Boot und dein Verhör auf der Polizeiwache ... Möchtest du vielleicht, dass ich mit der Polizei über Neal Wyatt spreche? Ich habe so eine Ahnung, was Neal betrifft. Ich könnte mir vorstellen, eine Vorladung aufs Revier und ein paar Stunden Verhör in Anwesenheit einer Sozialarbeiterin könnten vielleicht genau das Richtige sein, um Neal zur Vernunft zu bringen. Womöglich muss er einfach mal mit der Polizei in Berührung kommen, verstehst du?«
    Dann könnte ich mich auch gleich vor den nächsten Zug werfen, wollte Joel erwidern. Er verfluchte sich

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