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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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dafür, dass er Neal Wyatts Namen je einem Erwachsenen gegenüber erwähnt hatte. Hitzig fragte er: »Wieso glauben eigentlich alle, Neal hätte das Boot angezündet? Ich hab keine Ahnung, wer's getan hat. Ich hab's nich' geseh'n. Und Tobe auch nich'. Neal bei den Bullen zu verpfeifen, würde überhaupt nix bringen außer ...«
    »Ich bin kein Schwachkopf, Joel. Ich merke, dass du wütend bist. Und ich vermute, du bist wütend, weil du besorgt bist. Von Sorge getrieben. Und du hast Angst. Ich kenne deine Geschichte mit Neal - mein Gott, ich war es doch, der eure erste Prügelei unterbrochen hat. Und ich schlage vor, wir ändern den Lauf dieser Geschichte, bevor jemand ernstlich verletzt wird.«
    »Ich hab höchstens Schiss, weil jeder versucht, Neal was anzuhäng'«, entgegnete Joel. »Ich hab kein' Beweis, dass er den Kahn abgefackelt hat, und solang ich kein' Beweis hab, behaupt ich auch nich', dass er's war. Wenn Sie ihn bei den Bull'n verpfeifen und die ihn sich hol'n, was dann, Ivan? Er wird kein' Ton sagen, und nach zwei Stunden isser zurück auf der Straße und macht sich auf die Suche nach dem, der ihn angepisst hat.«
    Joel hörte selbst, auf welches Niveau seine Sprache herabgesunken war, und er wusste, was er damit über seinen Zustandoffenbarte. Aber er sah auch, wie er seine Sprache und seinen Zustand nutzen konnte, um diese Situation in seinem Sinne zu lenken. Er raufte sich die Haare mit einer Geste, die Frustration darstellen sollte. »Scheiße. Sie ha'm recht. Ich hab 'nen ganzen Sack voll Sorgen. Ich und Tobe bei den Bullen. Und Tante Ken glaubt, sie kann Neal zur Vernunft bringen, wenn sie ihn nur erwischt. Und ich guck auf der Straße nur noch hinter mich und wart drauf, dass sie über mich herfall'n. Ja, klar, Mann, ich hab Schiss. Ich schreib keine Gedichte mehr, weil ich im Moment nich' mal an so was denken kann.«
    Ivan nickte. Das war eine Sache, die er verstehen konnte und die ihm am Herzen lag, auf die seine Gedanken sich automatisch richteten, sodass alles andere in den Hintergrund trat. »Das nennt man Schreibblockade«, erklärte er. »Angst ist eine Hürde für jedwede Kreativität. Es ist wirklich kein Wunder, dass du nichts mehr geschrieben hast. Wie könnte man das erwarten?«
    »Tja. Also, es hat mir echt gefall'n, Gedichte zu schreiben.«
    »Es gibt eine Lösung dafür.«
    »Und zwar?«
    Ivan klappte Joels Schulakte zu. Joel verspürte einen Hauch von Erleichterung, die noch zunahm, als Ivan sich für ihr Thema zu erwärmen begann: »Du musst aus der Angst heraus schreiben, um ebendiese Angst zu überwinden, Joel. Du steckst in einer Zwickmühle. Weißt du, was das ist? Nein? Ein Widerspruch in sich, ein Dilemma. Die Angst verhindert dein Schaffen, aber der einzige Weg, die Angst zu überwinden, ist, genau das zu tun, woran sie dich hindert: nämlich etwas schaffen. In deinem Fall: schreiben. So gesehen, ist die Angst immer ein Signal, das einem Menschen sagt, er muss kreativ werden. Kluge Menschen erkennen dieses Signal und nutzen es, um zu ihrer kreativen Arbeit zurückzukehren. Andere weichen dem Signal aus und suchen ein Ventil für ihre Furcht, das meistens nur vorübergehend Abhilfe schafft. Alkohol zum Beispiel, oder Drogen. Etwas, das sie ihre Angst vergessen lässt.«
    Joel verstand kein Wort davon, nickte aber stumm, um Zu-
    Stimmung vorzutäuschen. Ivan, der von seiner eigenen Leidenschaft für das Thema mitgerissen wurde, erkannte die Wahrheit nicht. »Du hast ein echtes Talent, Joel«, fuhr er fort. »Dich von diesem Talent abzuwenden, wäre wie dich von Gott abzuwenden. Das ist im Grunde genau das, was Neal passiert ist, als er aufgehört hat, Klavier zu spielen. Um ehrlich zu sein, ich will nicht, dass dir das auch passiert, aber ich fürchte, das wird es, wenn du nicht zu deinem schöpferischen Quell zurückkehrst.«
    Obwohl all das in Joels Ohren - um es freundlich auszudrücken - vollkommen hirnrissig klang, nickte er wieder und gab sich Mühe, nachdenklich zu wirken. Wenn er Angst hatte - und er gab zu, dass das der Fall war -, hatte es sehr wenig damit zu tun, Wörter auf Papier zu schreiben. Nein, er fürchtete sich vor The Blade und davor, was The Blade von ihm verlangen würde, um seinen Respekt zu beweisen. Joel hatte noch nichts von ihm gehört, und das Warten war eine Qual, denn unterdessen lauerte dort draußen immer noch Neal Wyatt auf seine Gelegenheit.
    Ivan - wohlmeinend, aber ahnungslos - glaubte, die Lösung für Joels Probleme zu kennen, und schlug

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