Am Ende war die Tat
zu schmieren, und man konnte nicht einfach mit einem »Danke, Mann« davonspazieren, wenn The Blade einem einen derartigen Dienst erwies. Es war ja nicht einmal nur ein Dienst, sondern eine Unannehmlichkeit. Und wenn einer The Blade Unannehmlichkeiten bereitete, musste er damit rechnen, dass ihm selbst ziemliche Unannehmlichkeiten ins Haus standen.
Cal hatte ja versucht, ihn zu warnen. Aber Joel hatte geglaubt, er habe von The Blade nichts zu befürchten, solange er ihm keinen Ärger machte. Und er hätte nie damit gerechnet, ihm Ärger zu machen, erst recht nicht bei der Erfüllung der Aufgabe, die The Blade ihm gestellt hatte.
Der Wagen kam abrupt zum Stehen. Joel hob den Blick und erkannte das »A. Q. W. Motors«-Schild wieder. Obwohl es Tag war - wenn auch ein grauer, regnerischer Tag -, waren sie zu The Blades geheimem Lagerplatz gekommen. Sie stiegen aus und gingen schweigend um die Front herum zu der verlassenen Gasse.
The Blade ging voraus, dann Cal, und Joel bildete das Schlusslicht. Er fragte Cal leise, was als Nächstes passieren würde, doch der Graffitikünstler ignorierte ihn, während The Blade das Tor in der alten Ziegelmauer aufsperrte und ihnen mit ei- nem Kopfnicken bedeutete, den Hof der alten U-Bahn-Station zu betreten. Dort schloss er die Tür zu der einstigen Werkstatt auf. Als ahnte er, dass Joel erwog, einen Fluchtversuch zu unternehmen, nickte The Blade in Cals Richtung. Cal packte Joel fest am Arm. Der Griff war alles andere als freundschaftlich.
Es war stockdunkel in der verlassenen Werkstatt, nachdem The Blade das Tor geschlossen hatte. Joel hörte ein Schloss zuschnappen und sagte hastig in die Finsternis: »Ich hab nich' damit gerechnet, dass sie schreit, Mann. Wer denkt denn an so was? Die ging am Stock und sah so aus, als wüsste sie nich' ma', wo sie eigentlich hinläuft. Frag Cal! Er hat sie ausgesucht!«
»Willste Cal die Schuld geben?« The Blades Stimme klang ganz nah. Joel fuhr zusammen. Der Mann hatte sich vollkommen lautlos bewegt, wie die zubeißende Schlange, die auf seine Wange tätowiert war.
»Das hab ich nich' gesagt«, protestierte Joel. »Ich mein nur, das hätt jedem passier'n könn'. Als sie anfing zu schreien, musste ich doch abhau'n, oder?«
The Blade sagte nichts. Die Stille hielt einen Moment an. Joel hörte seinen eigenen Atem pfeifen und konnte es nicht abstellen. Er spitzte die Ohren, um irgendetwas anderes als nur sich selbst zu hören, aber keine Geräusche schienen bis hierher zu dringen. Es war, als wären sie in ein großes, dunkles Loch gefallen.
Dann ein Klicken, gefolgt von einem Lichtklecks auf einer der Holzkisten, aus welcher The Blade die Pistole geholt hatte, als sie das letzte Mal an diesem Ort gewesen waren. The Blade hatte sich lautlos von ihm entfernt und eine batteriebetriebene Lampe eingeschaltet. Sie warf lange Schatten auf die Wände.
Hinter Joel entzündete Cal auf irgendeiner Oberfläche ein Streichholz. Rauch vermischte sich mit den anderen Gerüchen - Motoröl, Schimmel, Staub und Holzfäule. Es war eisig.
»Hör zu, Mann ...«, begann Joel.
»Halt's Maul.« The Blade wandte sich einer zweiten Kiste zu. Er hebelte den Deckel auf und förderte zerdrückte Zeitungen,
Stroh und Styroporchips zutage, die er achtlos auf den Boden warf.
Joel sah wesentlich mehr Kisten als beim letzten Mal. Er gönnte sich einen Augenblick der Hoffnung, dass die Anzahl der Kisten und der Umstand, dass sie erst kürzlich angekommen waren, auf einen anderen Inhalt hindeuteten, doch er wurde enttäuscht. The Blade holte einen Gegenstand hervor, der dick in Luftpolsterfolie eingewickelt war. Seine Größe allein verriet Joel, worum es sich handelte.
Nach seinem kläglichen Versagen auf der Portobello Road war es unwahrscheinlich, dass The Blade ihm noch einmal eine Waffe anvertraute, nur damit die Cops sie ihm wieder abknöpften. Das hieß, The Blade hatte etwas anderes damit vor, und Joel wollte nicht darüber nachdenken, was das sein mochte.
In seiner Angst drohte er die Kontrolle über seinen Darm zu verlieren. In den ruppigsten Worten, die ihm in den Sinn kamen, schärfte er sich ein, nicht in die Hose zu machen. Wenn er für seinen dilettantischen Auftritt mit dem Leben bezahlen sollte, dann würde er eben zahlen. Aber nicht wie ein jammerndes, kleines Arschloch. Diese Genugtuung wollte er The Blade nicht geben.
»Cal?«, fragte The Blade. »Hast du Kugeln dabei?«
»Klar.« Cal holte eine kleine Schachtel aus der Tasche und reichte sie ihm.
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