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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sogleichkonkretere Hinweise erhalten würde, was Joel indes nur noch entschlossener machte, nicht das Geringste preiszugeben.
    Er wisse nicht mehr, in was für einer Plastiktüte die Waffe gesteckt habe, erklärte er. Vielleicht eine von Sainsbury. Oder von Boots.
    Was denn nun, Boots oder Sainsbury? August Starr hörte sich an, als sei das ein hervorstechendes Detail. Er schrieb sogar die Namen Boots und Sainsbury in sein Notizbuch. Bemerkenswert, brummte er, da die beiden genannten Plastiktüten doch so unterschiedlich seien. Sie hatten nicht einmal die gleiche Farbe, und selbst wenn, man rechne irgendwie nicht damit, Abfall in einer Boots-Tüte zu finden, oder?
    Joel spürte, dass er drohte, ihm auf den Leim zu gehen. Er sah zu seiner Pflichtverteidigerin, in der Hoffnung, sie werde irgendwie intervenieren, so wie sie es im Fernsehen immer taten, wo Anwälte vehement für die Rechte ihrer Mandanten und das Gesetz eintraten. Doch seine Anwältin sagte nichts. Ihre Gedanken drehten sich - auch wenn Joel das nie erfahren würde - um den Schwangerschaftstest, den sie heute Morgen hier auf der Damentoilette der Polizeiwache gemacht hatte.
    Schließlich ergriff Fabia Bender das Wort. Boots-Plastiktüten seien zu dünn, um sie als Müllbeutel zu verwenden, erklärte sie Joel. Eine Pistole würde vermutlich sofort einen Riss in dem schwachen Material verursachen. Ob Joel Sergeant Starr nicht vielleicht lieber die Wahrheit sagen wollte? Das würde alles leichter machen.
    Joel schwieg. Er würde einfach hart bleiben und es aussitzen. Das Beste, was er tun konnte, war, einfach den Mund zu halten. Immerhin war er erst zwölf. Was konnten sie ihm schon tun?
    In die anhaltende Stille fragte Fabia Bender, ob sie ihn wohl einen Moment allein sprechen könne. Endlich machte seine Anwältin den Mund auf: Niemand werde mit ihrem Mandanten sprechen - Joel war froh, das Wort zu hören ohne dass sie zugegen sei. Starr wies darauf hin, es bestehe keine Veranlassung für irgendwen, sich unnachgiebig zu zeigen, da sie im Moment doch nur versuchten, die Wahrheit herauszufinden.
    »Nichtsdestoweniger ...«, begann die Anwältin.
    Doch sie wurde von Fabia Bender unterbrochen. »Wir alle wollen doch nur das Beste für den Jungen.«
    Sergeant Starr wollte schließlich eingreifen, doch ehe er mehr herausgebracht hatte als: »Lassen Sie uns doch erst einmal überlegen ...«, öffnete sich die Tür zum Verhörzimmer.
    »Kann ich Sie kurz sprechen, Sergeant?«, fragte eine Beamtin, und Starr verließ den Raum.
    Während der zwei Minuten, die er verschwunden blieb, hielt die Anwältin Fabia Bender einen kurzen Vortrag über die Rechte jugendlicher Verdächtiger im britischen Strafrecht. Sie hätte angenommen, dass Miss Bender all das wisse, bedenke man, welchem Beruf sie nachging. Diese Bemerkung brachte Fabia Bender auf die Palme, doch gerade als sie dazu anheben wollte, die Anwältin in die Schranken zu verweisen, kam Sergeant Starr zurück. Er feuerte sein Notizbuch auf den Tisch, sah Joel direkt ins Gesicht und sagte: »Du kannst gehen.«
    Alle drei starrten den Polizisten in unterschiedlichen Abstufungen der Verblüffung an. Dann erhob sich die Anwältin. Sie lächelte triumphierend, als habe sie diese Entwicklung irgendwie herbeigeführt. »Komm, Joel.«
    Als die Tür sich schloss, hörte Joel Fabia Bender fragen: »Was ist denn passiert, August?«
    Auch Starrs unwirsche Antwort drang auf den Korridor hinaus: »Ich habe nicht den Schimmer einer Ahnung.«
    Nach einem hastigen Abschiedsgruß der Anwältin und einem bösen Blick des Constables hinter dem Empfang wurde Joel auf freien Fuß gesetzt. Er fand sich draußen auf dem Gehweg vor der Polizeiwache wieder. Kein Anruf bei seiner Tante oder sonst irgendwem hatte stattgefunden, niemand war herbeizitiert worden, um den straffälligen Jugendlichen nach Hause, zur Schule oder in ein Jugendgefängnis zu chauffieren.
    Joel hatte nicht die geringste Ahnung, was passiert war. Eben noch hatte er seine Freiheit und sein Leben in Rauch aufgehen sehen. Jetzt schien all das nur ein Traum gewesen zu sein. Ohneauch nur einen Klaps auf die Finger. Ohne Predigt. Ohne ein Wort. Das alles ergab keinen Sinn.
    Er ging die Straße entlang in Richtung des »Prince of Wales«, einem Pub an der Ecke. Er schaute sich argwöhnisch um. Bei jedem Schritt rechnete er damit, dass ein Cop plötzlich aus einem Hauseingang gesprungen kam und sich darüber amüsierte, dass dieser dumme Junge auf ihren Trick hereingefallen

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