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Am Ende zählt nur das Leben

Am Ende zählt nur das Leben

Titel: Am Ende zählt nur das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja B.
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entsetzt. Auch mir war Cays Verhalten jetzt ein wenig unangenehm. Was andere über ihn dachten, war ihm offenbar egal. Ich hätte mich so etwas niemals getraut. Mir fehlten schon die Worte, wenn ich seinem Vater überhaupt begegnete. Cay hingegen zog sein Programm durch: Sollten die anderen doch davon halten, was sie wollten.
    »Nun reg dich doch nicht auf, Ramona. Was ist so schlimm daran, wenn ich das Handtuch später mitnehme?«
    »Der benimmt sich wie ein Pascha, wie ein arroganter Fatzke, wenn du mich fragst. Denk mal an gestern Abend, wie er sich mit der Zeitung breitgemacht hat. Der tickt doch nicht ganz richtig. Denkt er etwa, er sei was Besseres? Meinem Mann würde ich was husten, wenn der sich so benähme«, sagte Anja, und Ramona nickte eifrig.
    »Ihr übertreibt«, entgegnete ich.
    »Nein, sie übertreiben nicht«, sagte mein Schwager Klaus mit einem Lächeln.
    Wenn ich es genau überlegte, dann hatte ich auch noch nie jemanden erlebt, der sich derart eigensinnig verhielt, in unserer Familie schon gar nicht. Auch meine Mutter war unzufrieden, aber sie sagte nichts. Alle schauten mich an, um zu sehen, wie ich reagierte. Ich kam mir vor, als wäre ich ein Prüfling, aber dieser Wochenendurlaub konnte doch wohl kein Prüfstein für mich und meinen neuen Freund sein. Oder etwa doch?
    Die kritischen Blicke sprachen eine deutliche Sprache. Mir schien es fast so, als trauten sie mir, der Jüngsten, kein eigenes Urteilsvermögen zu. Ich war kurz davor, eingeschnappt zu sein und abzureisen.
    Als wir später das Abendbrot zubereiteten, war Cay wiederum der Einzige, der sich mit keinem Handgriff an den Aufgaben beteiligte. Er setzte sich an die gedeckte Tafel, was mir nun langsam unangenehm wurde. Hätte er nicht wenigstens mal fragen können, ob er etwas helfen durfte? Erst als wir später alle gemeinsam auf der Terrasse saßen, taute er ein wenig auf und beteiligte sich an den Gesprächen. Da aber niemand mit ihm auf Augenhöhe übers Golfspielen sprechen konnte, wurde er schon bald wieder still.
    Am nächsten Morgen freute ich mich auf das Frühstück mit meiner Familie, aber Cay machte mir einen Strich durch die Rechnung.
    »Lass die anderen doch erst mal frühstücken, wir beide joggen derweil eine Runde. Es ist wunderbar, am Meer entlangzulaufen. Du wirst sehen, wie gut es dir tut.«
    »Aber sie warten auf uns.«
    »Dann sagst du eben Bescheid. Wir dürfen ja wohl frühstücken, wann wir wollen. Man muss doch nicht immer alles gemeinsam machen.«
    »Du hast recht. Frühsport wird uns guttun«, pflichtete ich ihm bei.
    Meine Schwestern schüttelten nur den Kopf, als sie mich morgens um acht in Sportkleidung sahen.
    »Was ist denn in dich gefahren? So kennt man dich ja gar nicht«, rief Ramona mir hinterher.
    »Ein wenig Sport würde dir auch guttun«, sagte ich nur.
    »Danke, kein Bedarf, und schon gar nicht vor dem ersten Kaffee.«
    »Tschüß, bis später«, rief ich und war sogar richtig stolz darauf, mich von Cay mitreißen zu lassen. Bis vor Kurzem wäre es tatsächlich für mich undenkbar gewesen, frühmorgens schon aktiv zu sein. Aber ich merkte, wie gut es mir tat, mit Cay mitzuhalten. Er animierte mich zu Aktionen, von denen ich vorher nicht mal geträumt hatte. Ohne ihn wäre ich niemals am Mainufer auf Inlinern unterwegs gewesen. Dabei war es herrlich. Cay hatte tolle Ideen. Mit ihm konnte ich was erleben.
    So gern ich mit meiner Familie zusammen war, so froh war ich doch, als wir am Sonntag wieder abreisten. Die Spannung hatte sich nicht gelöst und war schwer auszuhalten. Cay war nun mal ein ganz anderer Typ als mein Schwager und auch als Ramonas Freund, von meinem Bruder ganz zu schweigen. Meinem Freund war kumpelhaftes Verhalten scheinbar fremd, zumindest wenn es von anderen ausging.
    Irgendetwas schien ihm an meiner Familie nicht zu passen. Nur weil sie kein Golf spielten, waren sie doch trotzdem nette Gesprächspartner, überlegte ich. Dennoch wollte ich nicht Cay die Schuld dafür geben, dass sie keine gemeinsame Wellenlänge fanden. Ich fand es sogar ein wenig unfair, wie sie ihn beäugten. Er war schließlich der einzige Fremde unter acht Erwachsenen. Jedes seiner Worte wurde auf die Waagschale gelegt. Er hatte nun mal andere Interessen als sie, denn schließlich lebte er in einer Großstadt und arbeitete in einem großen Unternehmen. Ich bildete mir ein, da sei es ganz normal, wenn es wenig Gemeinsamkeiten gab. Und warum sollte Cay ihnen vorspielen, dass er sich für sie interessierte? Das

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