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Am Ende zählt nur das Leben

Am Ende zählt nur das Leben

Titel: Am Ende zählt nur das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja B.
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Wochen. Ich machte mir Gedanken über mein stabiles Umfeld. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es wäre, wenn ich keinen familiären Rückhalt und keinen Partner hätte: Nein, dann wäre meine Lage wohl unerträglich.
    Bei einer der nächsten Sitzungen tauchte der Begriff der posttraumatischen Belastungsstörung auf. So lautete meine Diagnose. Frau Precht erklärte mir mit verständlichen Worten und Beispielen, was darunter zu verstehen war. Insbesondere meine Albträume und die vielen Erinnerungsschübe belasteten meinen Zustand. Sie fand schnell heraus, wie stark ich mit meinen depressiven Stimmungen zu kämpfen hatte und dass ich oftmals keinen Ausweg mehr daraus sah.
    Sie bat mich um Geduld, damit sie mich und meine Problematiken genauer kennenlernte. Der Therapieverlauf hänge von meiner Verfassung und meinen Fortschritten ab. Es gebe unterschiedliche Teilbereiche der Therapie, die aufeinander aufbauten und sich jeweils anders gestalteten. Zunächst müsse ich in der sogenannten Stabilisierungsphase gestärkt werden. Das erschien mir plausibel, war ich doch weit entfernt von jeglicher Stärke. Häufig kam ich mir vor wie ein Häuflein Elend, voller Trauer, Schuldgefühle, Selbstzweifel und Schwäche.
    Diese erste Phase der Therapie, die Stärkung, nahm viele Wochen in Anspruch. Es war wirklich ein hartes Stück Arbeit, mir ein wenig Kraft zurückzugeben und meine eigenen Kräfte zu mobilisieren. Außerdem musste ich lernen, mich vor kräftezehrenden Gedanken und Situationen zu schützen. Erst wenn diese Phase abgeschlossen war, würden wir an den extrem belastenden Themen arbeiten können, gab meine Therapeutin mir zu verstehen.
    Frau Precht begann mit Imaginationstechniken, die dazu dienten, mich zu stabilisieren und meine Selbstwirklichkeit zu verbessern. Dafür hatte sie Texte parat, aus denen sie mir regelmäßig vorlas. Ich hörte ihr mit geschlossenen Augen zu und versuchte auf die Inhalte zu reagieren. Mir gefiel ihre Stimme, und so hörte ihr gern zu. Sie las sehr langsam, und manche Sätze wiederholte sie sogar und machte lange Pausen. Auf diese Form der Therapie und ihre Stabilisierungsübungen konnte ich mich zügig einlassen. Noch heute kann ich mir einige dieser Sätze in Erinnerung rufen und höre dabei ihre Stimme. Besonders hilfreich war es für mich zu lernen, wie ich mit den quälenden Erinnerungen umging, wenn sie mich zu überschwemmen drohten. Dazu hatte sie eine ganz besondere Übung parat:
    Stellen Sie sich bitte einen Aufbewahrungsort für unangenehme oder gefährliche Erinnerungen, Bilder oder Empfindungen vor. Das kann ein Behältnis verschiedenster Art sein, ein Tresor, ein Safe, eine Kiste, eine Truhe oder eine Kammer, vielleicht sogar ein magisches Verlies, zu dem nur Sie den Zugang haben.
    Lassen Sie sich Zeit, einen solchen fest verschließbaren und nur von Ihnen selbst zu öffnenden Aufbewahrungsort zu finden und sich genau vorzustellen.
    Machen Sie sich ein Bild von dem Öffnungs- und Verschlussmechanismus, dessen Technik nur Sie allein kennen. Es kann ein Schlüssel sein, eine Zahlenkombination, ein Stellrad oder eine magische Formel.
    Wenn Sie eine genaue Vorstellung von diesem Aufbewahrungsort und seiner sicheren Verschließbarkeit haben, erproben Sie einige Male das Schließen und Öffnen.
    Experimentieren Sie zuerst mit einem positiven Bild und dann mit einem unangenehmen Bild, das Sie in den Tresor sicher einschließen.
    Vereinbaren Sie jetzt mit sich selbst zusätzlich ein körperlich gut spürbares Zeichen, wie das Anspannen bestimmter Muskeln, eine Faust, ein Händedruck oder das Anspannen der Fußmuskulatur, das Sie immer benutzen können, um sich daran zu erinnern, wie sich etwas in den Tresor einschließen lässt.
    Führen Sie jetzt das Zeichen aus, damit sich Ihr Körper zukünftig daran erinnert, wie es sich anfühlt, wenn für Sie unangenehme oder gefährliche Erinnerungen sicher verschlossen sind.
    Spüren Sie, wie gut es Ihnen tut, Ruhe und Sicherheit davor zu haben.
    Kommen Sie jetzt bitte mit Ihrer ganzen Aufmerksamkeit nach und nach wieder zurück in mein Behandlungszimmer.
    Während meiner Therapiestunden machte Frau Precht mich mit verschiedenen Imaginationsübungen vertraut, die allesamt verständliche Namen trugen und mich in meinem traumatisierten Zustand auch erreichten. Eine dieser Übungen nannte sich Gepäck ablegen , eine andere hieß Frieden schließen mit sich selbst . Der sichere innere Ort und der Tresor waren ausgesprochen hilfreich für mich.

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