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Am ersten Tag - Roman

Am ersten Tag - Roman

Titel: Am ersten Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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uns nicht zusammen sieht. Ich schreibe Ihnen nicht, um Sie zu beunruhigen, sondern ganz im Gegenteil, um Sie zu beglückwünschen und Ihnen einige Neuigkeiten mitzuteilen, die Ihnen gefallen werden. Ich freue mich, dass die faszinierende Legende von Tikkun Olam , von der ich Ihnen in meinem Büro erzählt habe, doch Ihre Aufmerksamkeit erregt hat. Ich weiß, dass Sie bei manchen unserer Gespräche in Paris geglaubt haben, ich wäre zu alt, um noch bei vollem Verstand zu sein. Wenn ich die Vorkommnisse, die Ihnen in den letzten Wochen widerfahren sind, auch bedauere, führen sie aber vielleicht auch dazu, dass Sie Ihr Urteil über mich revidieren.
    Ich habe Ihnen gute Nachrichten angekündigt, hier sind sie. Ich glaube zu wissen, dass Sie einen sehr alten Text entdeckt haben. Er ist mir auch bekannt, und dank Ihres Anhängers habe ich jene Zeilen, die mich schon immer ratlos gemacht haben, endlich besser verstehen können. Ich bin im Übrigen noch immer damit beschäftigt, ihn zu übertragen. Dazu muss ich Ihnen sagen, dass jenes Dokument, das sich in Ihrem Besitz befindet, unvollständig ist. Es fehlt eine Zeile, die aus der Handschrift entfernt wurde. Ich habe sie in einer sehr
alten ägyptischen Bibliothek beim Lesen einer Übersetzung gefunden, deren Lektüre ich Ihnen lieber erspare, da sie sehr schlecht war. Wenn ich schon nicht, wie ich es gerne täte, an Ihrer Seite sein kann, möchte ich Ihnen doch helfen, wann immer es mir möglich ist.
    Der fehlende Satz heißt: Der Löwe schläft auf dem Stein der Weisheit .
    All das bleibt recht mysteriös, nicht wahr? Für mich auch. Aber mein Instinkt sagt mir, dass diese Information wichtig für Sie sein könnte. Zu Füßen der Pyramiden schlafen viele Löwen, vergessen Sie nicht, dass manche wilder sind als andere und einen stärkeren Freiheitsdrang haben. Die einsamsten leben weit vom Rudel entfernt, aber ich denke für Sie, die die Löwen und Afrika kennen, ist das nichts Neues. Seien Sie vorsichtig, liebe Freundin, Sie sind nicht die Einzige, die von der Legende Tikkun Olam fasziniert ist… Ich weiß, dass manchmal die verrücktesten Träume zu den erstaunlichsten Entdeckungen führen. Ich wünsche Ihnen eine gute Reise und freue mich, dass Sie sie unternehmen.
    Ihr ergebener Ivory
    PS: Sprechen Sie mit niemandem über diesen Brief, nicht einmal mit Ihren Nächsten. Lesen Sie ihn noch einmal, um sich alles zu merken, und vernichten sie ihn dann.
    Keira tat, was Ivory wünschte: Sie las den Brief noch zweimal und redete mit niemandem darüber, nicht einmal mit mir, beziehungsweise erst sehr viel später. Doch statt ihn zu vernichten, faltete sie ihn zusammen und schob ihn in ihre Tasche.
    Noch an diesem Freitag, an den ich mich erinnere, als wäre es gestern gewesen, verabschiedeten wir uns von Walter und stiegen in die Maschine nach Peking, die um 20:15 Uhr startete.
Die Sicherheitskontrolle war die reinste Hölle. Ich schwor mir, wenn es sich eben vermeiden ließe, nie mehr von Heathrow abzufliegen. Wütend über die Behandlung, die uns die übereifrigen Beamten zuteilwerden ließen, regte sich Keira furchtbar auf. Es gelang mir schließlich gerade noch, sie zu beruhigen, als man uns mit einer Leibesvisitation drohte.
    Die Maschine ging pünktlich, und sobald wir unsere Reisehöhe erreicht hatten, entspannte sich Keira. Ich nutzte den zehnstündigen Flug, um einige chinesische Worte zu lernen, die mir ermöglichen sollten, wenigstens ›guten Tag‹, ›auf Wiedersehen‹, ›bitte‹ oder ›danke‹ zu sagen. Wem ich einen guten Tag wünschen, bei wem oder wofür ich mich bedanken wollte … Das wusste ich nicht. Doch schon bald gab ich meinen Chinesisch-Blitzkurs auf und widmete mich einer Lektüre, die mehr meinem Geschmack entsprach.
    »Was liest du?«, fragte mich Keira.
    Ich zeigte ihr das Buch und las ihr den Titel vor: Abhandlung über die Partikelemission in der Galaxien-Peripherie .
    Sie murmelte etwas wie »Hmm«, das ich nicht genauer definieren konnte.
    »Was?«
    »Dein Buch scheint wirklich spannend«, sagte sie. »Ich glaube, der Film war noch besser, und es wird eine Fortsetzung geben …«
    Dann wandte sie sich ab und knipste die kleine Leselampe über ihrem Sitz aus.

Peking
    Als wir frühmorgens ankamen, waren wir von der langen Reise und der Zeitverschiebung erschöpft. Die Zollformalitäten verliefen relativ glatt, eine kleine Routinekontrolle, die von wesentlich freundlicheren Menschen als beim Abflug durchgeführt wurde. Über das

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