Am ersten Tag - Roman
leid, dass Sie sie haben abbrechen müssen. Ich kann mir vorstellen, wie sehr Ihnen das Atacama-Plateau fehlt.«
Nach meinem Geschmack wusste dieser Mann etwas zu viel über mich, und seine übertriebene Gelassenheit war nicht dazu angetan, meine Bedenken zu zerstreuen.
»Seien Sie nicht argwöhnisch. Wenn ich Sie ein wenig kenne, dann weil ich in gewisser Hinsicht beteiligt war, als Ihre Arbeit bei der Walsh-Foundation beurteilt wurde.«
»In gewisser Hinsicht?«
»Ich war zwar kein Mitglied der Jury, gehörte aber der Auswahlkommission an. Ich habe Ihr Dossier aufmerksam studiert.
Wäre es nach mir gegangen, hätten Sie den Preis bekommen. In meinen Augen verdient Ihre Forschung wirklich eine Förderung.«
Ich bedankte mich für das Kompliment und fragte, wie ich ihm behilflich sein könnte.
»Nicht Sie können mir helfen, Adrian, es ist genau umgekehrt, Sie werden sehen. Diese junge Frau, mit der Sie den Abend verbracht haben, diejenige, die den Preis gewonnen hat …«
Diesmal fühlte ich mich wirklich unbehaglich und verlor meinen letzten Rest an Gelassenheit.
»Sie kennen Keira?«
»Ja, natürlich«, antwortete mein seltsamer Gesprächspartner und führte seine Kaffeetasse zum Mund. »Warum haben Sie keinen Kontakt mehr zu ihr?«
»Ich glaube, das ist meine Privatangelegenheit«, entgegnete ich und versuchte, nicht länger zu verbergen, dass mir die Unterhaltung unangenehm war.
»Ich wollte nicht indiskret sein und bitte Sie um Entschuldigung, falls meine Frage Sie in irgendeiner Weise verletzt haben sollte«, fuhr mein Gegenüber fort.
»Sie haben mir gesagt, wir hätten zwei Gemeinsamkeiten, was ist die zweite?«
Der Mann zog ein Foto aus der Tasche und schob es über den Tisch. Es war eine Polaroidaufnahme mit verblassten Farben, was auf ein gewisses Alter hindeutete.
»Ich könnte wetten, dass Ihnen dieser Gegenstand nicht völlig fremd ist«, erklärte der Mann.
Ich sah mir das fast rechteckige Objekt auf dem Foto genau an.
»Wissen Sie, was das Verwunderlichste an der Sache ist? Dass wir es nicht datieren können. Die modernsten Methoden versagen, und es ist unmöglich, sein Alter zu bestimmen.
Seit nunmehr dreißig Jahren stelle ich mir die Frage, warum, und die Vorstellung, diese Welt zu verlassen, ohne die Antwort gefunden zu haben, bedrückt mich. Es ist zwar albern, aber es beschäftigt mich trotzdem. Auch wenn ich versuche, mich zur Vernunft zu rufen, mir zu sagen, dass die ganze Sache nach meinem Ableben keine Bedeutung mehr haben wird, denke ich trotzdem von morgens bis abends und von abends bis morgens daran.«
»Und Sie glauben, ich könnte Ihnen helfen?«
»Sie hören mir nicht zu, Adrian. Ich habe gesagt, dass ich derjenige bin, der Ihnen helfen wird, nicht umgekehrt. Es ist wichtig, dass Sie sich auf das konzentrieren, was ich Ihnen sage. Dieses Rätsel wird früher oder später Ihr ganzes Denken beherrschen. Und wenn Sie beschließen, sich wirklich dafür zu interessieren, werden sich vor Ihnen die Tore zu einer unglaublichen Reise öffnen, die Sie weiter führen wird, als Sie sich vorstellen können. Ich denke, im Moment halten Sie mich für einen alten Narren, aber Ihr Urteil wird sich ändern. Es gibt nur wenige Menschen, die verrückt genug sind, ihre Träume verwirklichen zu wollen, und oft lässt unsere Gesellschaft sie für solche Absonderlichkeit bezahlen, weil sie ängstlich und neidisch ist, Adrian. Doch ist das ein ausreichender Grund, darauf zu verzichten? Besteht nicht der wahre Sinn des Lebens darin, Überkommenes in Frage zu stellen, Gewissheiten umzustürzen? Ist das nicht die Quintessenz des wissenschaftlichen Denkens?«
»Und Sie sind Risiken eingegangen, für die die Gesellschaft Sie jetzt zahlen lässt, Mister Ivory?«
»Ich bitte Sie, nennen Sie mich nicht Mister. Lassen Sie mich Ihnen etwas erklären, das Sie faszinieren wird, da bin ich mir ganz sicher. Das Objekt, das auf der Fotografie abgebildet ist, besitzt eine zweite Eigenschaft, die ebenso einzigartig
ist wie die erste und die Ihnen am meisten gefallen wird. Wenn man es einer starken Lichtquelle aussetzt, projiziert es eine wundersame Anordnung von Punkten. Erinnert Sie das an etwas?«
Mein Gesichtsausdruck musste wohl meine Emotionen verraten haben, denn der Mann blickte mich lächelnd an.
»Sehen Sie, ich habe Sie nicht angelogen, ich kann Ihnen behilflich sein.«
»Wo haben Sie es gefunden?«
»Das ist eine zu lange Geschichte. Wichtig ist, dass Sie von seiner Existenz wissen. Das wird
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