Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am ersten Tag - Roman

Am ersten Tag - Roman

Titel: Am ersten Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
Vom Netzwerk:
Ihnen später nützen.«
    »Inwiefern?«
    »Um nicht zu viel Zeit mit der Frage zu vergeuden, ob das Ihrige eine simple Laune der Natur ist. Es wird Sie auch vor der Blindheit schützen, die den Menschen überkommt, wenn er Angst hat, der Realität ins Auge zu sehen. Einstein hat gesagt, dass zwei Dinge unendlich sind, das Universum und die menschliche Dummheit, und dass er an Letzterer nicht den geringsten Zweifel hege.«
    »Was wissen Sie über das Exemplar, welches Sie besitzen?«, fragte ich.
    »Es hat mir nie gehört. Ich habe mich damit begnügt, es zu untersuchen, und ich weiß leider nur sehr wenig darüber. Ich würde es Ihnen auch nicht verraten. Nicht dass ich kein Vertrauen zu Ihnen hätte, warum wäre ich sonst hier? Doch der Zufall reicht nicht aus. Er dient höchstens dazu, die Neugier eines wissenschaftlichen Geistes zu wecken. Allein Einfallsreichtum, Methode und Mut führen zur Entdeckung. Ich möchte Ihre künftigen Forschungen nicht lenken. Ich möchte, dass Sie frei von Vorurteilen sind.«
    »Welche Forschungen?«, fragte ich den Mann, dessen Behauptungen mir langsam ernsthaft auf die Nerven gingen.

    »Erlauben Sie mir eine letzte Frage, Adrian? Welche Zukunft erwartet Sie in dieser angesehenen Academy of Sciences? Ein Lehrstuhl? Eine Klasse mit brillanten Schülern, von denen jeder von seiner intellektuellen Überlegenheit überzeugt ist? Eine leidenschaftliche Beziehung mit dem hübschesten Mädchen im Hörsaal? Das alles habe ich längst hinter mir, und ich erinnere mich an keines der Gesichter. Aber ich rede und rede und lasse Ihnen keine Zeit, meine Frage zu beantworten. Also, welche Zukunft erwartet Sie?«
    »Unterrichten wird nur eine Etappe in meinem Leben sein. Früher oder später kehre ich in die Atacama-Wüste zurück.«
    Ich erinnere mich, das wie ein Kind gesagt zu haben, zugleich stolz, seine Lektion gelernt zu haben, und wütend, mit seiner eigenen Ignoranz konfrontiert zu werden.
    »In meinem Leben habe ich einen dummen Fehler begangen, Adrian. Ich habe ihn nie zugegeben, aber allein die Tatsache, mit Ihnen darüber zu reden, tut mir gut. Ich habe geglaubt, alles alleine machen zu können. Welche Vermessenheit und Zeitverschwendung!«
    »Was geht mich das an? Aber wer sind Sie überhaupt?«
    »Ich bin das Spiegelbild des Mannes, der Sie Gefahr laufen zu werden. Und wenn ich Ihnen das ersparen könnte, hätte ich den Eindruck, Ihnen nützlich gewesen zu sein, und würde mich noch nach Jahren an Ihr Gesicht erinnern. Sie sind derjenige, der ich vor vielen Jahren war. Wissen Sie, es ist eigenartig, sich im Spiegel der Vergangenheit zu betrachten. Bevor ich gehe, möchte ich Ihnen eine weitere Information geben, die vielleicht noch interessanter ist als das Foto, das ich Ihnen gezeigt habe. Keira arbeitet auf einer Ausgrabungsstätte einhundertzwanzig Kilometer nordöstlich vom Turkana-See. Sie fragen sich, warum ich Ihnen das erzähle? Nun, sollten Sie sich entschließen, zu ihr nach Äthiopien zu reisen, werden Sie dadurch
viel Zeit gewinnen. Zeit ist wertvoll, Adrian, sehr wertvoll. Es hat mich gefreut, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben.«
    Sein fester, herzlicher, ja gar fast liebevoller Händedruck überraschte mich. Auf der Schwelle drehte er sich um und kam ein paar Schritte zurück.
    »Ich möchte Sie um einen kleinen Gefallen bitten«, erklärte er. »Wenn Sie Keira sehen, sagen Sie ihr nichts von unserer Begegnung, das würde Ihnen nur schaden. Keira ist eine Frau, die ich sehr schätze, aber ihr Charakter ist nicht immer einfach. Wenn ich vierzig Jahre jünger wäre, säße ich schon an Ihrer Stelle im Flugzeug.«
     
    Dieses Gespräch hatte mich total verwirrt. Ich warf mir vor, nicht die richtigen Fragen gestellt zu haben, und es waren so viele, dass ich sie hätte notieren müssen.
    Walter kam am Fenster des Cafés vorbei, winkte mir zu und trat ein.
    »Was machen Sie denn für ein Gesicht?«, fragte er und setzte sich in den Sessel, den eben erst der mysteriöse Ivory verlassen hatte. »Wie gut, dass ich Sie hier treffe. Ich habe heute Nacht sehr viel nachgedacht und muss unbedingt mit Ihnen reden«, fuhr er fort.
    »Ich höre.«
    »Suchen Sie vielleicht nach einem Vorwand, um Ihre Freundin wiederzusehen? Doch, doch, streiten Sie es nicht ab, genau das haben Sie getan! Ich denke, es wäre nicht dumm, sie nach den wahren Gründen zu fragen, warum sie diesen Anhänger auf Ihrem Nachtkästchen zurückgelassen hat. Der Zufall ist ein bequemer Vorwand, aber alles hat

Weitere Kostenlose Bücher