Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am ersten Tag - Roman

Am ersten Tag - Roman

Titel: Am ersten Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
Vom Netzwerk:
einer Höhe von zehntausend Metern zu beobachten, ist ein erhebendes Schauspiel für einen Astronomen. Der Polarstern funkelte vor mir, ich sah Kassiopeia und erahnte VV Cephei zu ihrer Rechten. Als ich zur Seite blickte, sah ich, dass Walter kurz vorm Einnicken war.
    »Haben Sie Ihren Fotoapparat dabei?«
    »Wenn Sie Erinnerungsfotos in diesem Flugzeug schießen
wollen, lautet die Antwort nein. Nach all dem, was ich gegessen habe, und der Entfernung, die mich vom Vordersitz trennt, sehe ich vermutlich wie ein Walfisch in einer Konservendose aus.«
    »Nein, Walter, ich will nicht Sie fotografieren.«
    »Nun, wenn Sie es schaffen, an meine Tasche zu gelangen, bedienen Sie sich, ich kann mich nicht mehr bewegen.«
    Ich muss zugeben, dass wir wie Sardinen in der Büchse eingezwängt waren, und es war nicht leicht, an den Apparat zu kommen. Sobald ich ihn in der Hand hielt, sah ich mir noch einmal die in Heraklion aufgenommenen Bilder an. Plötzlich schoss mir eine unsinnige Idee durch den Kopf, und ich sah verblüfft zum Fenster hinaus.
    »Ich glaube, wir haben gut daran getan, nach London zurückzukehren«, sagte ich zu Walter und schob den Apparat in meine Tasche.
    »Warten Sie nur ab, bis Sie morgen Ihr Frühstück auf der verregneten Terrasse eines Pubs einnehmen. Dann sehen wir, ob Sie immer noch dieser Meinung sind.«
    »Sie sind auf Hydra stets willkommen.«
    »Lassen Sie mich jetzt endlich schlafen. Glauben Sie, ich merke nicht, welchen Spaß es Ihnen bereitet, mich ständig aufzuwecken?«

London
    Ich hatte Walter mit dem Taxi abgesetzt und eilte, sobald ich zu Hause war, zu meinem Computer. Nachdem ich die Fotos geladen hatte, sah ich sie mir aufmerksam an und beschloss, einen alten Freund zu stören, der Tausende von Kilometern entfernt lebte. Ich schickte ihm Walters Aufnahmen und bat ihn in der E-Mail, mir zu sagen, an was ihn die Bilder erinnerten. Ich bekam sofort eine kleine Nachricht von ihm. Erwan freute sich, von mir zu hören. Er versprach, die Fotos eingehend zu studieren und sich so schnell wie möglich zu melden. Eines der Funkteleskope auf dem Atacama-Plateau hatte erneut eine Panne, und er war sehr beschäftigt.
    Drei Tage später mitten in der Nacht erhielt ich seine Antwort. Diesmal nicht per E-Mail, sondern telefonisch, und Erwans Stimme klang seltsam erregt.
    »Wie hast du ein solches Meisterwerk fertiggebracht?«, rief er statt einer Begrüßung.
    Da ich nicht wusste, was ich antworten sollte, stellte Erwan mir eine weitere Frage, die mich noch mehr überraschte.
    »Falls du vom Nobelpreis träumst, hast du in diesem Jahr beste Chancen. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie du es geschafft hast, eine solche Modellierung hinzubekommen, das grenzt an ein Wunder. Wenn du mir die Fotos gemailt hast, um mich zu beeindrucken, dann ist dir das bestens gelungen, bravo!«
    »Was hast du gesehen, Erwan, sag es mir!«

    »Du weißt genau, was ich gesehen habe, also bitte kein Fishing for compliments, du hast mich schon genug geblufft. Und jetzt erklär mir bitte, wie du dieses Meisterstück vollbracht hast. Darf ich diese Bilder an meine Freunde hier weitergeben?«
    »Bloß nicht!«
    »Verstehe«, erwiderte er seufzend. »Ich fühle mich schon geehrt, dass du mir dein Vertrauen geschenkt und dieses Wunder vor dem offiziellen Kommuniqué gezeigt hast. Wann veröffentlichst du die Neuigkeit? Ich bin sicher, damit hast du deine Fahrkarte zurück zu uns in die Atacama-Wüste in der Tasche, auch wenn du künftig vor der Qual der Wahl stehen wirst, denn ab jetzt wollen dich alle Astronomen-Teams haben.«
    »Erwan, ich flehe dich an, sag mir, was du gesehen hast.«
    »Mach dich nicht über mich lustig und erklär mir jetzt nicht, diese Entdeckung sei reiner Zufall gewesen!«
    »Erwan, bitte, sag es als Erster!«
    »Ich habe drei Tage gebraucht, um zu erahnen, wohin du mich führst. Ich will nichts Falsches behaupten, aber natürlich habe ich sehr schnell die Sternbilder Schwan, Pegasus und Kepheus erkannt, obwohl die Magnitude nicht stimmt, die Winkel nicht korrekt und die Entfernungen absurd sind. Wenn du geglaubt hast, mich so leicht reinzulegen, hast du dich geirrt. Ich habe mich gefragt, welches Spiel du spielst, warum und nach welchen Gleichungen du diese Sterne so angenähert hast. Bei dem Versuch, die Positionierung zu ermitteln, bin ich hellhörig geworden. Ich muss zugeben, ich habe etwas gemogelt und unseren Computern zwei Tage intensive Berechnungen abverlangt, doch als ich das Ergebnis vor mir

Weitere Kostenlose Bücher