Am ersten Tag - Roman
nötige Material. Und ich verstehe nicht, warum du so verärgert bist.«
»Weil ich mir gewünscht hätte, dass du mir vertraust. Glaubst du, ich würde dich weniger lieben, wenn du mir die Wahrheit sagst? Selbst wenn du mir gestehen würdest, deine Gefühle würden dem Esel hinten im Garten gelten, wärest du immer noch mein Sohn Adrianos!«
»Mama, bist du sicher, dass es dir gut geht?«
»Mir ja, bei dir habe ich Zweifel. Fahr zurück nach London, wenn es so wichtig ist. Vielleicht lebe ich noch, wenn du wiederkommst, wer weiß?«
Wenn meine Mutter eine Szene machte, die einer griechischen Tragödie würdig war, dann gab es etwas, das sie wirklich ernsthaft beschäftigte. Aber ich zog es vor, mir nicht vorzustellen, was es sein könnte, so grotesk schien mir die Idee, die mir plötzlich kam.
Mit gepacktem Koffer traf ich Walter am Hafen. Meine Mutter bestand darauf, mich zu begleiten. Elena gesellte sich am Kai zu uns, und die beiden winkten uns nach, als sich die Fähre entfernte. Sehr viel später erfuhr ich, dass meine Mutter Elena gefragt hatte, ob sie glaubte, dass ich die Reise auf Walters Schoß verbringen würde. Ich ahnte nicht, dass ich nicht so bald nach Hydra zurückkehren würde.
Amsterdam
Jan Vackeers sah auf seine Uhr, Ivory war noch immer nicht da, und das beunruhigte ihn. Sein Schachpartner war von unfehlbarer Pünktlichkeit, und diese Verspätung sah ihm so gar nicht ähnlich. Er ging zu dem Servierwagen und begutachtete den Imbiss, den er hatte herrichten lassen. Er naschte gerade von den Trockenfrüchten, die die Käseplatte verzierten, als es an der Tür seiner Suite läutete, das Spiel würde also endlich beginnen können.
»Das wurde gerade für Sie abgegeben.«
Vackeers kehrte ins Zimmer zurück, um den Brief zu öffnen. Auf Büttenpapier waren folgende Worte geschrieben:
Tut mir leid, Sie heute Abend versetzen zu müssen, doch eine Verpflichtung zwingt mich in letzter Minute, Amsterdam zu verlassen. Ich komme bald zurück. Beste Grüße, Ivory PS: Schach und Patt, es ist nur eine Remispartie.
Vackeers las das Postskriptum dreimal und fragte sich, was Ivory mit diesem kleinen Satz, der, wenn er von ihm kam, nicht belanglos sein konnte, andeuten wollte. Er wusste nicht, wohin sein Freund fuhr, und jetzt war es zu spät, um ihn überwachen zu lassen. Oder die anderen zu bitten, die Sache zu übernehmen … Er selbst hatte darauf bestanden, Ivory nicht mit einzubeziehen, wie sollte er ihnen jetzt erklären, dass dieser ihnen vielleicht schon eine Nasenlänge voraus war? Schach und Patt, wie Ivory geschrieben hatte. Vackeers lächelte, als er das Büttenpapier in seine Tasche schob.
Flughafen Schiphol, Amsterdam
Zu dieser späten Stunde standen nur noch wenige Maschinen, die europäische Hauptstädte anflogen, am Boden.
Ivory reichte der Stewardess seine Bordkarte und trat auf die Gangway. Er setzte sich in die erste Reihe, schloss den Sicherheitsgurt und sah aus dem Fenster. In eineinhalb Stunden würde er auf den City-Airport landen. Ein Wagen erwartete ihn, und sein Zimmer im Dorchester war reserviert, alles war geregelt. Vackeers hatte inzwischen sicher die Nachricht bekommen, die er ihm hatte überbringen lassen, und bei dieser Vorstellung musste er lächeln. Ivory schloss die Augen, es würde eine lange Nacht werden, und er musste jede mögliche Minute Schlaf nutzen.
Flughafen von Athen
Walter wollte Miss Jenkins unbedingt ein Souvenir aus Griechenland mitbringen. Also kaufte er im Duty-free-Shop eine Flasche Ouzo, dann eine zweite, falls, wie er sagte, die erste zerbräche, und eine dritte, um sich selbst ein Geschenk zu machen. Letzter Aufruf: Eine wenig liebenswürdige Stimme verkündete unsere Namen über Lautsprecher, und ich fürchtete schon die missbilligenden Blicke der Passagiere, die in der Maschine auf uns warteten. Nach einem wilden Sprint durch die Gänge erreichten wir gerade noch rechtzeitig das Gate, um die Moralpredigt des Kabinenchefs und die Vorwürfe der Fahrgäste auf unserem Weg zu den beiden einzig freien Plätzen in der letzten Reihe über uns ergehen zu lassen. Durch die Zeitverschiebung mit England würden wir eine Stunde gewinnen und Heathrow gegen Mitternacht erreichen. Walter verschlang das Essen, das uns serviert wurde, zuerst das seine, dann das meine, das ich ihm gern überließ. Nachdem die Stewardess die Tabletts eingesammelt hatte, dunkelte sie das Kabinenlicht ab. Ich presste die Nase ans Fenster und genoss den Anblick. Den Himmel in
Weitere Kostenlose Bücher