Am Fluss des Schicksals Roman
öffnete. An ihrem Gesicht konnte er ablesen, dass sie das Gespräch mit Silas gehört hatte.
»Alles in Ordnung, Elizabeth?«, fragte er.
»Noch nie hat jemand mich so in Schutz genommen«, erwiderte sie mit bewegter Stimme. »Aber Silas hat Recht. Wenn man mich Elizabeth nennt, ändert es nichts daran, was ich bin.«
»Ja, das steht allein in Ihrer Macht. Silas macht andere Menschen gern nieder, um sich selbst größer zu fühlen. Kehren Sie den Spieß um, Elizabeth! Schließlich ist er ein ehemaliger Häftling und nach wie vor ein Betrüger, Sie aber sind ein anständiger Mensch, vergessen Sie das nie.«
»Aber ich möchte Ihnen keine Scherereien bereiten. Silas ist unberechenbar.« Unbewusst betastete sie ihr Gesicht. Wenn auch die seelischen Narben für immer bleiben würden, die körperlichen Narben waren so gut wie verheilt. Plötzlich wurde Lizzie ihre Geste bewusst, und sie riss entsetzt die Augen auf.
Joes Augen wurden schmal. »Hat etwa dieser Lump Sie so zugerichtet, Elizabeth?«
Lizzie wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Sie schüttelte den Kopf, konnte die Wahrheit aber nicht verleugnen.
»Er war es, stimmt’s?«, stieß Joe hervor. »Silas ist der Dreckskerl, der Sie so zugerichtet hat!«
Lizzie ließ den Kopf hängen.
»Ich bringe ihn um!«
Im Kesselraum hatte Ned unterdessen Joes Gebrüll gehört, sodass er nach oben ging, um nachzusehen, was los war.
»Tun Sie nichts Unüberlegtes, Joseph«, flehte Lizzie ihn an. »Schließlich steht die Marylou auf dem Spiel.«
»Das tut jetzt nichts zur Sache. Dieser Kerl hätte Sie beinahe umgebracht. Dieser nutzlose Feigling ist der reinste Abschaum!«
»Was ist hier los?«, fragte Ned.
»Silas Hepburn ist der Mistkerl, der Elizabeth so zugerichtet hat«, tobte Joe, außer sich vor Zorn.
Francesca, die gerade an Bord gestiegen war, hörte ihren Vater ebenfalls. »Was ist, Dad?« Sie sah Lizzie an, weil sie den Namen »Silas« gehört hatte.
Schlagartig wurde Joe bewusst, dass Francesca mit dem Mann verlobt war, der Lizzie misshandelt hatte. »Du wirst noch heute deine Verlobung mit diesem miesen Schwein lösen«, fuhr Joe sie an. »Er ist der Kerl, der Elizabeth halb totgeschlagen hat.« Leise fluchend ging Joe unruhig auf und ab.
Francesca, die ihren Vater noch sie so aufgebracht erlebt hatte, blickte Lizzie an.
»Es tut mir Leid«, wisperte diese.
Joe erstarrte, als ihm klar wurde, dass Francesca die ganze Zeit gewusst hatte, dass Lizzie von Silas misshandelt worden war. Dennoch war sie die Verlobung eingegangen, damit er, Joe, die Marylou behalten konnte. Joe fluchte in sich hinein. Einerseits nahm er es Francesca übel, dass sie ein solches Risiko in Kauf nahm, andererseits wusste er, dass sie es ihm zuliebe tat. Ihr Mut und ihre Opferbereitschaft rührten ihn.
»Ist schon gut, Lizzie«, sagte Francesca und legte den Arm um die Schulter der älteren Frau. Francesca hatte sich ohnehin vorgenommen, ihre Verlobung am folgenden Abend zu lösen. Gemeinsam mit Regina hatte sie einen Plan entworfen, Silas in flagranti mit einer anderen Frau zu erwischen. Zu diesem Zweck würde Regina eine Schauspielerin anheuern, die Silas in eine kompromittierende Lage bringen sollte. Dabei spielte der zeitliche Ablauf die wichtigste Rolle.
Francesca wollte ihrem Vater den Plan verheimlichen, da er anderenfalls darauf bestehen würde, sie zu begleiten, insbesondere, nachdem er jetzt wusste, dass Silas der Schläger war, der Lizzie misshandelt hatte. Außerdem wollte Francesca vorerst für sich behalten, inwiefern Regina in die Sache verstrickt war.
»Lasst uns flussaufwärts fahren«, schlug Ned vor.
Joe war viel zu wütend, um klar denken zu können.
»Wir sollten uns für eine Weile aus dem Staub machen, also lasst uns heute angeln«, sagte Ned, denn er wusste, dass das Angeln stets eine beruhigende Wirkung auf Joe hatte.
»Ja, wir sollten tatsächlich verschwinden«, pflichtete Joe ihm bei. »Aber vorher teile ich Silas persönlich mit, dass die Verlobung geplatzt ist!«
»Das kann auch noch bis zu unserer Rückkehr warten, Dad«, besänftigte Francesca ihn.
»Na schön. Dir zuliebe.«
»Soll ich Neal Bescheid geben, dass wir losmachen?«, fragte Ned.
»Neal gönnt sich sonntags gern eine Auszeit. Lass ihn schlafen. Wir sehen ihn ja nach unserer Rückkehr.«
Sie fuhren bis zur Mündung des Goulborn River, wo sie Anker warfen. Die Landschaft war überwältigend. Zahlreiche Schatten spendende Bäume säumten die Flussauen. Zudem gab es hier
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