Am Fluss des Schicksals Roman
niemals alleine mit der Kutsche im Dunkeln nach Derby Downs fahren lassen würde – was der Botenjunge ihm bestätigt hatte.»Es würde momentan zu großen Verdacht erregen, die Marylou verschwinden zu lassen, aber ich begnüge mich auch mit der Ophelia «, sagte Silas zu Mike Finnion.
»Aber Neal Mason wohnt mit seiner jungen Braut an Bord«, wandte Mike ein, den eine schreckliche Ahnung befiel. Er hatte längst die Nase voll, für Silas Hepburn die Drecksarbeit zu erledigen, wusste aber nicht, wie er ihm das beibringen sollte, zumal er Silas’ Bösartigkeit zur Genüge kannte.
Silas ärgerte es, an die Heirat von Neal und Francesca erinnert zu werden. »Es kann doch nicht so schwer sein, die beiden vom Schiff zu holen, oder?«, fuhr er Mike zornig an.
»Ich weiß nicht, Silas ... Ich finde, wir sollten uns für eine Weile zurückhalten, um nicht gleich in Verdacht zu geraten, wenn die Ophelia verschwindet.«
»Mich wird niemand verdächtigen, weil du mit dem Schiff den Fluss hinauffährst, es umlackierst und ihm einen neuen Namen verpasst. Du kannst auch einige Umbauten vornehmen lassen. Niemand wird Lunte riechen.«
»Aber nur, wenn ich mich mit dem Schiff nicht mehr in Echuca blicken lasse«, sagte Mike, doch Silas schien das kalt zu lassen. Mike hatte den Verdacht, Silas wollte die Ophelia in neuer Aufmachung direkt vor den Augen Joes und Neals zur Schau stellen. Silas spekulierte sicherlich darauf, dass Neal sein Eigentum zurückfordern würde – und es würde Silas unglaubliche Genugtuung verschaffen, wenn Neal dann nicht beweisen konnte, dass es sein Eigentum war.
Mike sah ein, dass niemand Silas von seinem Vorhaben abbringen konnte. »Wann soll die Sache über die Bühne gehen?«, fragte er resigniert.
»Am besten gleich heute Nacht. Ich weiß auch schon, wie wir den Kerl von seinem Schiff locken.«Später am Abend schickte Silas seinen persönlichen Laufburschen, Jimmy, vom Bridge Hotel zur Ophelia, um Neal eine Nachricht zu überbringen, doch Jimmy kehrte unverrichteter Dinge wieder zurück, weil die Ophelia abgelegt hatte. Silas tobte vor Wut, während Mike Finnion sich insgeheim freute. In der Zwischenzeit war ihm klar geworden, dass er nach dem Verschwinden der Ophelia unvermeidlich der Hauptverdächtige wäre und dafür den Kopf hinhalten müsste, wenn er kurze Zeit später mit einem neuen Schiff in Echuca einliefe. Und Silas, das wusste Mike, würde ihn weder in Schutz nehmen noch ihm sonst wie behilflich sein, wenn man ihn einsperrte. Zweifellos würde Silas bestreiten, in die Sache verwickelt zu sein. Und sollte Mike es wagen, ihn zu beschuldigen, stünde Aussage gegen Aussage.
»Ich gehe mal runter zum Pier. Vielleicht kann ich herausfinden, wohin die Ophelia im Dunkeln wollte«, sagte Silas. »Du kommst in ein paar Minuten nach.«
Gemeinsam mit dem Laufburschen Jimmy verließ Silas das Bridge Hotel in der Hoffnung, die Ophelia sei inzwischen zurückgekehrt, sodass Jimmy die Nachricht überbringen könnte. Währenddessen tat Mike Finnion etwas sehr Ungewöhnliches. Er missachtete Silas’ Befehl. Stattdessen ging er nach Hause und packte seine Sachen, um Echuca noch am Abend den Rücken zu kehren. Er hatte genug davon, von Silas Hepburn benutzt zu werden, und wollte sich im Hafen von Melbourne eine Stelle suchen. Mit etwas Glück würde er Silas nie wieder zu Gesicht bekommen.
Am Pier konnte Silas nichts in Erfahrung bringen, doch seine hilflose Wut verflog, als plötzlich die Ophelia erschien und in nächster Nähe am Ufer festmachte. Silas wartete ab, um zu beobachten, ob jemand von Bord ging, doch niemand ließ sich blicken.
»Lauf jetzt los, Jimmy«, wies er den Jungen an. »Und vergiss nicht – eins der Freudenmädchen hat dich geschickt.«
»Jawohl, Sir, Mr Hepburn«, erwiderte Jimmy und flitzte davon.
Währenddessen schaute Silas sich ungeduldig nach Mike Finnion um. »Wo bleibt der Kerl, zum Teufel?«, murmelte er.
Neal war überrascht, eine Nachricht aus dem Bordell zu erhalten, und befürchtete das Schlimmste. Rasch überflog er den Inhalt. Die Nachricht war kurz und bündig: Gwendolyn war ernsthaft erkrankt.
Neal eilte sofort los.
Silas verbarg sich im Schatten auf der Uferpromenade und beobachtete, wie Neal an ihm vorüberstürmte. »Bist du ganz sicher, dass niemand sonst an Bord ist?«, fragte er Jimmy, als der Junge zurückkam.
»Ja. Nachdem Mr Mason losgerannt ist, hab ich kurz auf dem Schiff nachgesehen.«
»Wo bleibt Mike Finnion, verdammt?«, murmelte Silas
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