Am Fluss des Schicksals Roman
wie sie fühlte, als plötzlich jemand am Ufer rief: »Francesca Callaghan!« Es war ein junger Bursche.
»Sie heißt Francesca Mason«, rief Neal durch die Kombüsenluke, was bei Frannie Verwunderung hervorrief. Jetzt verstand sie gar nichts mehr.
Der Bursche machte ein ratloses Gesicht und blickte auf einen Umschlag in seiner Hand.
»Hast du einen Brief für mich?«, rief Francesca ihm zu, als sie an Deck trat. Sie rechnete insgeheim damit, dass es ihr Prüfungsergebnis war. Vor Nervosität schlug ihr das Herz bis zum Hals.
»Ich habe ein Schreiben für Miss Francesca Callaghan. Ich wollte es vorhin auf der Marylou abgeben, aber dort hat man mir gesagt, dass ich Miss Callaghan auf der Ophelia finde«, antwortete der Bursche.
Francesca ging an die Reling. »Ich bin Francesca Callaghan ... vielmehr, ich war es. Ich habe kürzlich geheiratet.«
»Oh«, sagte der Bursche und überreichte ihr den Umschlag. »Ich soll Ihre Antwort abwarten, Ma’am.«
Francesca starrte kurz auf ihren Namen, bevor sie den Umschlag öffnete.
»Was ist das?«, sagte Neal, der jetzt ebenfalls an Deck trat.
Der Umschlag enthielt eine kurze schriftliche Mitteilung. Sie stammte von Regina Radcliffe.
Liebe Francesca,
erweist du mir heute Abend die Ehre, mit mir zu speisen,
zumal ich dringend etwas mit dir zu bereden habe? Monty
ist nach Ballarat gefahren, und Frederick besucht eine Vieh-
auktion in Shepparton, sodass wir ungestört sind. Ich hoffe,
du kommst.
Regina
»Eine Einladung von Regina Radcliffe«, entgegnete Francesca, während sie das Schreiben zusammenfaltete und in den Umschlag zurücksteckte. »Sie lädt mich für heute Abend zum Essen ein, auf die Farm. Anscheinend sind Monty und Frederick außer Haus.«
Sofort war Neals Misstrauen geweckt. Er fragte sich unwillkürlich, ob Monty seine Mutter benutzte, um ein Treffen mit Francesca einzufädeln.
Francesca hatte hingegen den Eindruck, dass zwischen Reginas Zeilen Einsamkeit herausklang. Sicherlich ging es ihr nicht darum, ihr Mutter-Tochter-Verhältnis zu klären. Vielleicht wollte Regina mit ihr ja über das Geld sprechen, das sie ihrem Vater hatte zukommen lassen. Zudem sollte sie, Francesca, auch deshalb zu Regina fahren, um sie wissen zu lassen, dass sie nun mit Neal verheiratet war und dass sie sich wegen Monty und Silas nicht mehr zu sorgen brauchte. Regina musste ja nicht wissen, dass es sich um eine Scheinhochzeit handelte ...
»Ich habe Regina vor kurzem einige neue Methoden der Buchprüfung gezeigt«, sagte Frannie zu Neal. »Vielleicht hat sie Schwierigkeiten damit und benötigt meine Unterstützung.«
»Du solltest nicht alleine fahren«, sagte Neal. Er dachte dabei an Silas’ Drohungen.
Francesca wurde nervös, da sie den Eindruck hatte, Neal wolle sie begleiten. Doch sie wäre nicht fähig, mit Regina offen über Joes angebliche Erbschaft zu sprechen, wenn Neal dabei wäre.
»Ich bringe dich mit der Ophelia dorthin und hole dich später wieder ab«, schlug er vor.
»Einverstanden, aber du musst dann auf deinen Hilfsmatrosen verzichten, weil er abends ja immer nach Hause geht.«
»Kurze Strecken schaffe ich auch alleine, und auf dem Wasserweg ist es bis Derby Downs nicht weit. Außerdem kannst du das Steuer übernehmen, wenn ich den Kessel schüren muss.«
Daraufhin schrieb Francesca eine kurze Antwort, dass sie Reginas Einladung annehme, und reichte sie dem Botenjungen.
Über mehrere Tage hinweg hatte Monty genau beobachtet und notiert, wo die Ophelia ihr Holz lud, sodass er Ort und Zeitpunkt von Neals jeweils letzter Fuhre kannte. Er hielt sich versteckt, um von den Besatzungen der anderen Schiffe nicht bemerkt zu werden, bis die Ophelia in Sicht kam. Gleich darauf schob er ein Holzscheit, das er zuvor präpariert hatte, in den Holzstapel, und ging rasch wieder in Deckung, um aus seinem Versteck heraus Neal und dessen Hilfsmatrosen Wally Carson beim Aufladen zu beobachten. Hinterher würde er sich vergewissern, ob das Scheit verschwunden war, in dem eine Stange Sprengstoff steckte. Sein Plan war sorgfältig durchdacht. Er hatte sich sogar von einem der Schiffer erklären lassen, wie weit ein Dampfer wie die Ophelia kam, bevor Holz im Dampfkessel nachgelegt werden musste. Daraufhin hatte er einige Berechnungen angestellt und war zu dem Ergebnis gekommen, dass Neal erst wieder auf der zweiten Fahrt nach Derby Downs Holz nachladen musste, wenn er alleine unterwegs war, um Francesca abzuholen. Monty hatte vorhergesehen, dass Neal Frannie
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