Am Fluss des Schicksals Roman
x-Beliebige«, gab sie erbost zurück, worauf er eine Augenbraue hob, als würde er ihr keinen Glauben schenken.
»Das kann ich aber nicht wissen, oder?«, erwiderte er.
Francescas Empörung nahm zu, bis sie plötzlich bemerkte, dass ein Mundwinkel des Mannes zuckte, und ihr klar wurde, dass er sie aufzog – und das, obwohl sie am Beispiel des Hafenarbeiters soeben bewiesen hatte, dass sie ein lästigesProblem aus dem Weg schaffen konnte, wenn es sein musste. Doch sie spürte, dass es nicht klug wäre, sich mit dem Fremden anzulegen, zumal er nicht nur ungemein attraktiv, sondern auch sehr von sich eingenommen war. »Wenn Sie es unbedingt wissen müssen, ich bin Joe Callaghans Tochter.«
Für einen Augenblick wirkte der gut aussehende Fremde überrascht. Er sah, wie jung sie war, wie reizend, und er wünschte sich, sie zu küssen, obwohl sie ihn wahrscheinlich beißen würde, wenn er es darauf anlegte. »Haben Sie auch einen Vornamen, Miss Callaghan?«
Sie überlegte, ob sie ihm darauf antworten sollte, aber schließlich wollte sie zu ihrem Vater. »Francesca.«
»Francesca ...« Das Wort kam ihm weich über die Lippen. »Der Name passt zu Ihnen. Ich hatte keine Ahnung, dass Joe eine so hübsche Tochter hat. Hätte ich’s gewusst, hätte ich ihm letztens in der Schänke wohl noch ein paar Rum mehr spendiert.« Seine Augen schienen in der Nachmittagssonne zu tanzen, und das Glitzern auf der grünen Wasseroberfläche spiegelte sich darin.
»Mein Vater ist zu klug, um sich von jemandem mit Rum beeindrucken zu lassen. Also, ist er hier in Echuca oder nicht? Am Pier kann ich die Marylou jedenfalls nicht entdecken.«
Der Fremde hob kurz den Blick zu ihr, bevor er den Kopf sinken ließ und lächelte. »Sein Schiff ankert unten am Fluss.« Er machte eine flüchtige, unbestimmte Geste in Richtung Ufer, die alles andere als hilfreich war.
»In einer halben Stunde lege ich in diese Richtung ab, falls Sie mitfahren möchten«, bot er an. Die Vorstellung, sie näher kennen zu lernen, reizte ihn ungemein, obwohl er entschlossen war, sich nicht wie ein ungestümer Jüngling aufzuführen. Er wusste aus Erfahrung, dass sie sich ihm eher öffnen würde, wenn er sie richtig behandelte ... und zwar bereitwillig.
Für einen Moment war Francesca sprachlos vorErstaunen. Obwohl sie versucht war, sein Angebot anzunehmen und auf der Ophelia mitzufahren, erschien es ihr nicht angemessen. Außerdem hatte sie den Eindruck, dass seine Einladung nicht von Herzen kam. »Da ich Sie nicht kenne, kann ich Ihr Angebot nicht annehmen.«
»Mein Name ist Neal Mason. So, jetzt wissen Sie, wer ich bin, und ich weiß, wer Sie sind. Außerdem bin ich mit Ihrem Vater befreundet, was den Regeln des Anstands genügen dürfte.«
Für Francescas Begriffe war es lediglich Ausdruck seiner Überheblichkeit. »Ich habe nichts als Ihr Wort, dass Sie meinen Vater kennen.«
Seine grünen Augen wurden schmal. »Unterstellen Sie mir, dass ich ein Lügner bin, Miss Callaghan?«
Francesca befürchtete, ihn gekränkt zu haben, bis sie bemerkte, dass er ein Grinsen zu unterdrücken versuchte. »Ich weiß nicht ... kann schon sein.« Sie wurde nervös, zumal er sich daranmachte, ein weiteres Seil aufzuwickeln, als habe er alle Zeit der Welt.
»Aber wenn Sie nicht warten möchten und lieber zu Fuß gehen ... Es liegt ganz bei Ihnen.«
Francesca hatte eigentlich erwartet, dass er sie überreden würde – ein Angebot, das sie angenommen hätte, sie hatte wenig Lust, ihren Koffer so weit zu tragen. Doch bevor sie ihm eine spitze Antwort geben konnte, fuhr er fort: »Aber schubsen Sie bloß keine Männer mehr ins Wasser. Es warten nämlich noch jede Menge Schiffe darauf, entladen zu werden.«
Sämtliche Arbeiter in Hörweite brachen in schallendes Gelächter aus, mit Ausnahme des Mannes, den sie in den Fluss geschubst hatte und der unter dem Pier lamentierte, dass ihm kalt sei. Francesca spürte, wie ihre Wangen glühten.
Stolz erhobenen Hauptes bedachte sie Neal mit einem verächtlichen Blick, hob ihren Koffer auf und stolzierte davon.
»Achten Sie auf den Weg, Miss Callaghan«, rief Neal ihrhinterher. »Sie könnten ins Stolpern geraten, wenn Sie die Nase weiterhin so hoch halten.«
Vor Zorn und Verlegenheit ging Francesca weiter, ohne einen Blick zurückzuwerfen.
Silas Hepburn stand in der Nähe eines Stapels Wollballen. Wie den meisten anderen Männern, die beobachtet hatten, wie Francesca aus dem Zug stieg, war auch ihm nicht entgangen, dass sie äußerst
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