Am Fluss des Schicksals Roman
Himmels an einem klaren Tag besaßen. Doch heute war der Himmel von einem kalten, trüben Grau, das sich nun in ihrem unfreundlichen Blick widerspiegelte. »Suchen Sie etwa Joe Callaghan?«
»Ganz recht.«
Vor Erstaunen rutschten Silas die Worte heraus, die ihm gerade durch den Kopf gingen. »Was hat eine so hübsche und elegante junge Dame wie Sie mit einer aufsässigen irischen Sippe zu schaffen?«
»Wie bitte? Joe Callaghan ist mein Vater, und er ist bestimmt alles andere als aufsässig .«
Silas verschlug es den Atem. Seine Augen traten hervor. »Oh, das wusste ich nicht ... ich meine, ich hatte vergessen, dass Joe eine Tochter hat.«
»Tja, Mr Hepburn, ich bin Francesca Callaghan, und ichkann nicht gerade behaupten, dass es mir eine Freude war, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen ...« Hinter sich vernahm sie gedämpftes Gelächter, was ihren Zorn nur noch weiter schürte.
Silas hingegen war nun erst recht fasziniert von ihr. »Wenn Sie mir die Bemerkung erlauben, Miss Callaghan, Sie sind eine äußerst bezaubernde junge Dame«, schmeichelte er ihr, während Francesca sich bereits zum Gehen wandte. Unvermittelt blieb sie stehen. Es war ihr jetzt gleichgültig, ob Neal Mason sie weiterhin beobachtete oder ob der Wind Gesprächsfetzen zu ihm trug. »Wenn Sie’s unbedingt wissen möchten – ich erlaube Ihnen die Bemerkung nicht.«
Offenen Mundes starrte Silas sie an. »Aber ... aber die meisten jungen Damen haben normalerweise nichts gegen ein Kompliment einzuwenden.«
»Mir ist eine Anschuldigung lieber als geheuchelte Schmeichelei, sofern es keine Anschuldigung gegen meinen Vater ist.«
Trotz seiner Verblüffung musste Silas lachen. »Dann bitte ich Sie, meine Bemerkung über Ihren Vater zu entschuldigen, Miss Callaghan. Er und ich haben wenig miteinander zu schaffen. Deshalb darf ich wohl sagen, dass Sie eine außergewöhnliche junge Dame sind.«
Francesca musste sich auf die Zunge beißen, zumal das, was ihr gerade durch den Kopf ging, alles andere als damenhaft war.
»Ich kann Sie in meiner Kutsche zur Marylou bringen, wenn Sie möchten«, bot Silas an, ohne auch nur einen Augenblick die Möglichkeit zu erwägen, sie könnte ablehnen. »Das Schiff Ihres Vaters ankert ein Stück weiter unten am Ufer, und für eine so reizende Person wie Sie ist es nicht ganz ungefährlich, sich allein und zu Fuß auf den Weg zu machen. Wie sie ja bereits festgestellt haben, können die Proleten in dieser Stadt ziemlich lästig werden.«
Die Proleten? Für wen hielt dieser Kerl sich! Allmählich verursachte er Francesca eine Gänsehaut. Lieber würde sie sich von einer Brücke stürzen, als zu ihm in die Kutsche zu steigen, und sie war versucht, ihm genau das zu sagen. Lediglich der Umstand, dass Silas mit ihrem Vater bekannt war, hinderte sie daran. »Das ist nicht nötig, Mr Hepburn«, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
»Wie Sie uns ja schon auf bewundernswerte Weise demonstriert haben, Miss Callaghan.« Silas konnte seine Enttäuschung kaum verbergen, während er seinen Hut zog.
Francesca hatte sich bereits umgewandt, um sich auf den Weg zum Ufer zu machen und diesen abscheulichen Kerl so weit wie möglich hinter sich zu lassen, doch sie hörte ihn noch murmeln: »Ein Jammer, dass Ihr Vater es nicht auch kann.«
Seine rätselhafte Bemerkung machte sie stutzig, aber sie fragte nicht nach. Stattdessen beschleunigte sie ihre Schritte.
Bald kam Francesca der Verdacht, dass Silas Hepburn ihr absichtlich einen falschen Weg beschrieben hatte. Immerhin hatte sie bereits über eine Meile zu Fuß zurückgelegt, ohne dass der Raddampfer zu sehen war, und ihr Koffer wurde mit jedem Schritt schwerer. Vor sich konnte sie linker Hand eine Flussbiegung erkennen, und wenn die Erinnerung sie nicht trog, befand sich ein Stück weiter eine Werft mit einer Rampe zum Wasser, sodass sie bezweifelte, in Kürze auf die Marylou zu stoßen. Sie beschloss, nur noch ein kleines Stück weiterzugehen.
Francesca wusste noch, welch wundervollen Anblick der Fluss bot, doch sie hatte ganz vergessen, welch friedliche und beschauliche Atmosphäre er verbreitete. In den Jahren, die sie fort gewesen war, hatte sie den Fluss meistens mit der Tragödie um ihre Mutter in Verbindung gebracht, doch im Funkeln des Sonnenlichts weckte der Murray River nun glückliche Kindheitserinnerungen in ihr – und eine unerwarteteSehnsucht, einen Teil ihres
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