Am Fluss des Schicksals Roman
ging Francesca mit dem Rücken zum Wind, der die unangenehmen Ausdünstungen der kahlen Schafe und des übrigen Viehs zu ihr getragen hatte, sodass sie ihr Taschentuch wieder in ihre Handtasche steckte und zu dem Hafenarbeiter blickte. »Haben Sie mich gemeint, Sir?«
»Na klar«, entgegnete der Mann. Erfreut, dass ein solch reizendes Wesen ihm Antwort gab, grinste er sie mit abstoßend rührseligem Gesichtsausdruck an. Francesca schauderte und trat einen Schritt zurück. »Ich bezweifle, dass es Sie etwas angeht, wohin ich unterwegs bin«, gab sie ziemlich schroff zurück, und das Lächeln des Mannes verflog wie Dampf in kalter Luft. »Deshalb schlage ich vor, Sie gehen wieder an Ihre Arbeit.« Damit wandte sie sich ab und hielt weiter unter den Schiffen, die am Pier festgemacht hatten, nach der Marylou Ausschau. Sie war sicher, dass der Kerl, der sie eben belästigt hatte, in seinem verletzten Stolz nun von ihr ablassen würde. Die anderen Arbeiter wechselten mit hochgezogenen Augenbrauen Blicke und brachen einer nach dem anderen in Gelächter aus. Offenbar fühlte Francescas Peiniger sich zum Narren gehalten und wollte seine Schmach nicht hinnehmen. Kurz entschlossen folgte er ihr. Seine Kameraden – ungeachtet der Tatsache, dass bis zum Sonnenuntergang noch viel Arbeit auf sie wartete – beobachteten das Geschehen, neugierig, wie Francesca reagieren würde.
Francesca schlenderte an Säcken, Kisten und Kästen voller Waren und Handelsgütern vorüber. Sie war enttäuscht, kein bekanntes Gesicht zu entdecken. Doch am Pier lagen weitaus mehr Schiffe als vier Jahre zuvor, als sie das letzte Mal zu einer Stippvisite nach Hause gekommen war. Und nach der Anzahl der Menschen zu schließen, die sich auf dem Pierund der Uferpromenade befanden, schien die Stadt beträchtlich gewachsen zu sein, und die Geschäfte schienen zu florieren. Dieser Gedanke stimmte Francesca zuversichtlich, dass sie hier eine neue Stelle finden würde, die ihr zusprach.
Mit einem Mal wurde sie gewahr, dass sie verfolgt wurde. Abrupt blieb sie stehen und drehte sich zu dem hartnäckigen Hafenarbeiter um. »Verschwinden Sie«, fuhr sie ihn mit wachsendem Zorn an. »Haben Sie nichts Besseres zu tun, als mir auf die Nerven zu gehen?«
»Darf ich Ihren Koffer tragen?«, erbot sich der Mann mit gespieltem Charme, doch Francesca entging nicht das böse Funkeln in seinem schielenden Blick, und sie bebte innerlich vor Abscheu.
»Nein, dürfen Sie nicht. Und jetzt lassen Sie mich gefälligst in Ruhe«, fauchte sie ihn an. Sie versuchte, nicht in Panik zu geraten, was ihr schwer fiel, zumal sie in Pembroke äußerst behütet und meist von einer Anstandsdame begleitet worden war; zudem hatte sie bei den Kennedys auf jegliches Privatleben verzichten müssen. Noch nie war Francesca ihr Mangel an Lebenserfahrung derart bewusst geworden wie jetzt. Leider kam ihr Verfolger ihrer Aufforderung nicht nach, sodass Francesca ihn trotzig anstarrte. Sie war versucht, ihn darauf hinzuweisen, dass er dringend ein Bad benötigte; stattdessen konzentrierte sie sich darauf, die Fassung zurückzuerlangen. Ihr wurde klar, dass sie sich in Zukunft mit solchen Leuten auseinander setzen musste, wenn sie in Echuca leben wollte, was wiederum bedeutete, dass es klug wäre, an diesem Kerl ein Exempel zu statuieren, damit sie vor seinen Kumpanen Ruhe hätte. Aber was sollte sie tun?
Während Francesca über ihre Situation nachdachte, setzte sie ihren Weg auf dem Pier fort. Sie bemerkte, dass der Wasserpegel des Flusses ungefähr drei Meter unter ihnen lag – nicht sonderlich tief, aber tief genug. Ihr kam eine Idee. Mit einem raschen Blick stellte sie fest, dass die anderenHafenarbeiter inzwischen das Interesse an ihr verloren hatten und sich wieder ihrer Arbeit widmeten.
Kurz vor dem Ende des Piers blieb Francesca erneut stehen und betupfte sich mit ihrem Taschentuch die Augen, als wäre sie völlig aufgelöst. Zufrieden bemerkte sie, dass ihr aufdringlicher Verehrer mit Bestürzung reagierte. Als Nächstes ließ sie absichtlich ihr Taschentuch fallen, das dicht vor den Füßen ihres Verfolgers landete. Der Mann starrte darauf, während Francesca ihn mit flehenden Blicken bedachte. Obwohl er sie eigentlich hatte aufziehen wollen, betrachtete er das Taschentuch nun als Wink des Schicksals, als günstige Gelegenheit, sich ihr als Held zu beweisen. Also bückte er sich, um es aufzuheben. Kaum hatte er nach dem Taschentuch gegriffen, hörte er Francescas schnelle Schritte. Bevor
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