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Am Fluss des Schicksals Roman

Titel: Am Fluss des Schicksals Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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hübsch war. Er hatte auch gesehen, wie der Hafenarbeiter sie belästigt hatte, und hatte ihr zu Hilfe kommen wollen – als der Störenfried zu Silas’ großem Erstaunen Augenblicke später vom Hafendamm gesegelt war. Silas hatte schon immer etwas für schöne Mädchen übrig gehabt, aber er hatte selten ein schönes Mädchen mit so viel Schneid erlebt.
    »Entschuldigen Sie, Miss ...«, sprach er Francesca an, als sie an ihm vorüberkam.
    Francesca, von zornigen Gedanken erfüllt, schrak zusammen, zumal sie Silas nicht bemerkt hatte. »Ja?«, erwiderte sie unfreundlich und blickte in Silas’ überhebliches Gesicht.
    Ihr kühler Tonfall ließ ihn stutzen, aber nicht zurückschrecken. »Ich wollte Ihnen eben meine Hilfe anbieten, als dieser aufdringliche Kerl Sie verfolgt hat ...«
    Einen Moment lang dachte Francesca, er meinte Neal Mason; dann aber wurde ihr klar, dass er von dem Hafenarbeiter sprach. »Warum haben Sie es dann nicht getan?« Sie war immer noch wütend und nicht in der Stimmung, Höflichkeit zu wahren. »Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert«, fügte sie bissig hinzu, denn wäre der Mann ihr zuvor zu Hilfe gekommen, wäre ihr das Gespräch mit Neal Mason erspart geblieben, und sie müsste sich jetzt nicht wie ein naives Dummchen fühlen.
    Wieder musste Silas staunen. Er war es gewohnt, dass man ihm mit größtem Respekt begegnete, was auch für Fremde galt, denen sein distinguiertes Auftreten unmöglich entgehen konnte. Und nun wagte es dieses zierliche Persönchen, ihnabzukanzeln. »Ich wollte ja, aber dann ... aus unerfindlichen Gründen ... hat der Mann das Gleichgewicht verloren und ist in den Fluss gefallen. Höchst unglücklich ...«
    Francesca stockte der Atem. Neal Mason hatte sie bereits in die Defensive getrieben, und sie war sicher, dass im kalten Blick dieses Mannes eine versteckte Anschuldigung schimmerte. »Das war wohl kaum meine Schuld.« Francesca ging fest davon aus, dass niemand sie dabei beobachtet hatte, wie sie den Mann ins Wasser geschubst hatte.
    »Das wollte ich damit auch nicht andeuten. Offensichtlich ist der Kerl sehr ungeschickt, wie viele andere hier. Vor einigen Monaten habe ich mir aus Tooleybuc einen Steinway-Flügel kommen lassen, und wissen Sie was? Beim Abladen haben die Trottel ihn fallen lassen!« Verbittert kniff er die Lippen zusammen. »Sei’s drum, ich will nicht abschweifen, zumal ich lieber nicht mehr daran denken möchte. Haben Sie sich verlaufen, oder suchen Sie jemanden?«
    »Weder noch. Entschuldigen Sie mich.«
    Francesca war der Mann vom ersten Augenblick an unsympathisch. Sie war sicher, dass sein überhebliches Gehabe nur heiße Luft war, zumal sie bezweifelte, einen Mann von gesellschaftlichem Rang vor sich zu haben.
    »Erlauben Sie mir, dass ich mich vorstelle«, sagte Silas Hepburn mit stolzgeschwellter Brust, wodurch Francesca sich in ihrer Meinung bestätigt sah. »Ich bin Silas Hepburn, der Gründer dieser schönen Stadt. Hier geschieht praktisch nichts ohne mein Wissen. Wenn Sie also jemand Bestimmten suchen, kann ich Ihnen wahrscheinlich Auskunft geben.« Mit seinen weichen, dicken Fingern strich er sich durch den rötlich braunen Bart.
    Hepburn. Francesca erinnerte sich plötzlich, dass ihr der Name von früher ein Begriff war; dennoch hätte sie Silas nicht wiedererkannt. Einen flüchtigen Augenblick lang überlegte sie, ob sie sich für ihre Schroffheit entschuldigen sollte,begrub den Gedanken aber rasch wieder. Vor einem Mann, der damit prahlte, eine Stadt gegründet zu haben, und Landmarken nach sich benannte, brauchte sie nicht zu katzbuckeln. Stattdessen hätte Silas sich entschuldigen müssen, weil er ihr nicht zu Hilfe gekommen war. Die Auskunft, wo ihr Vater sich aufhielt, war eine ganz normale Gefälligkeit. Und Francesca benötigte diese Auskunft, denn Neal Mason hatte den Ankerplatz der Marylou so ungenau beschrieben, dass sie nicht wusste, wie sie dorthin kommen sollte.
    Mit einem Blick über die Schulter stellte Francesca fest, dass Neal Mason ihre Unterhaltung mit Silas aufmerksam verfolgte. Da Silas in der Tat ein wichtiger Mann in der Stadt war, sagte sie sich, dass es nicht schaden konnte, sich gut mit ihm zu stellen.
    »Ich bin auf der Suche nach einem Raddampfer, die Marylou. Wissen Sie, wo ich sie finde?«
    »Die Marylou ?« Silas runzelte die Stirn und musterte ihr Gesicht genauer – die glänzenden dunklen Ringellocken unter ihrem Häubchen, ihren Porzellanteint, ihre Augen, die die Farbe des

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