Am Fluss des Schicksals Roman
beschimpft hat, weil die Bücher nicht auf dem neuesten Stand waren, obwohl er genau wusste, dass ich vor lauter Saubermachen, Füttern und Baden seiner Kinder gar nicht die Zeit dazu hatte, war das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.«
Joe war dennoch verärgert. Nicht wegen Frannie, sondern wegen des Zeitpunkts, den sie sich für ihre Rückkehr ausgesucht hatte. Sie hätte keinen ungünstigeren Moment wählen können. »Und was hast du jetzt vor?«
»Das weiß ich noch nicht genau. Vorerst möchte ich bei dir und Ned bleiben«, erwiderte sie. »Ich habe euch beide sehr vermisst. Wir haben uns in den letzten Jahren kaum zu Gesicht bekommen. Es kommt mir vor, als ... als wären wir uns fremd geworden.« Francesca fielen diese Worte schwer, doch sie sprach lediglich die Wahrheit aus.
»Das bleibt nun mal nicht aus«, entgegnete Joe schroff, obwohl er plötzlich Gewissensbisse verspürte. »Das Leben auf dem Fluss ist nichts für ein kleines Mädchen.«
»Ich bin kein kleines Mädchen mehr, Dad.«
Joe lächelte wehmütig.
»Das stimmt, mein Mädchen«, sagte er.
Mein Mädchen. Bei diesen Worten verspürte Francesca einen Stich im Herzen. So hatte Dad sie als Kind immer genannt.
»Vielleicht bist du mittlerweile alt genug, um zu begreifen, dass das Leben nicht immer so verläuft, wie wir es gern hätten«, fuhr Joe fort.
»Was willst du damit sagen, Dad?«
Joe warf Ned einen Blick zu.
»Nein, sag du es ihr, Joe«, forderte Ned ihn mit sanfter Stimme auf. »Sie sollte die Wahrheit erfahren.«
Francesca blickte die beiden abwechselnd an, und ihr Herz schlug schneller. »Was ist denn passiert?«
»Wir stehen kurz davor, die Marylou zu verlieren«, erklärte Joe mit brüchiger Stimme.
Francesca wurde blass. »Das kann nicht sein, Dad. Wie kommt das?«
Joe stützte sich auf die Reling und blickte hinaus auf den Murray, zum weit entfernten Ufer auf der anderen Seite, wo ein Seeadler auf einem Ast saß, der über dem Wasser hing. Obwohl man diese Tiere selten zu Gesicht bekam, konnte Joe dem Anblick nichts abgewinnen. Für ihn war es unvorstellbar, keine Schiffsplanken mehr unter den Füßen zu haben oder den Fluss, an dem sein Herz hing, nicht mehr zu befahren.
»Als der Kessel den Geist aufgab, fehlte mir das Geld für die Reparatur. Ich musste mir eine größere Summe leihen. Dann hat es Wochen gedauert, bis die Reparatur abgeschlossen war. In dieser Zeit ist mein Arm so steif geworden, dass ich das Schiff nicht mehr steuern kann.«
Die Verletzung am Arm hatte Joe sich vor langer Zeit bei dem Versuch zugezogen, Mary vor dem Schaufelrad eines vorbeifahrenden Dampfers zu retten, nachdem sie bei der Kollision mit der Kittyhawk über Bord gegangen war. Leider war Joes Rettungsversuch vergeblich gewesen. Mary kam uns Leben, und Joe wäre beinahe der Arm abgerissen worden.
»Ich bin mit den Ratenzahlungen für das Darlehn im Rückstand, und ich kann es mir nicht leisten, jemanden anzuheuern ...«
»Oh, Dad. Hast du keine Versicherung für den Kessel abgeschlossen?«
»Ned und ich haben die Kesselrohre so oft geflickt, dass irgendwann kein Druck mehr zu Stande kam. Und die Versicherung zahlt nur im Fall einer unverschuldeten Explosion. Es tut mir Leid, Frannie. Ich weiß, du hättest dir einen anderen Empfang gewünscht, aber du hast dir einen denkbar ungünstigen Zeitpunkt ausgesucht, nach Hause zu kommen.Bei den Kennedys hattest du wenigstens ein Dach über dem Kopf. Was soll’s, vielleicht nehmen sie dich ja wieder auf.«
Francesca war bewusst, dass ihr Vater ein gebrochener Mann wäre, würde er die Marylou verlieren. Sie wusste zwar nicht genau, wie sie ihm helfen konnte, aber zwei gesunde Hände konnten hier auf dem Schiff nur von Nutzen sein. »Ich gehe nicht zurück, Dad. Auch wenn ich weiß, dass dir der Zeitpunkt nicht gefällt, komme ich vielleicht genau im richtigen Augenblick.«
Joe blickte sie verwirrt an.
»Nach der Anzahl der Schiffe am Pier zu urteilen, läuft das Geschäft auf dem Fluss zurzeit recht gut.«
»Arbeit gibt es reichlich, aber man kann dem Zeitdruck nur standhalten, wenn man mit dem Schiff bis an die Leistungsgrenze geht. Genau das haben wir mit der Marylou gemacht, bis der Kessel nicht mehr mitgespielt hat.«
»Jetzt ist er ja repariert.« Francesca kam plötzlich eine Idee. »Es macht keinen Sinn, wenn die Marylou am Ufer dümpelt, ohne Anker zu lichten. Du kennst den Fluss wie deine Westentasche, nicht wahr, Dad?«
»Es gibt keinen besseren Mann auf dem
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