Am Fluss des Schicksals Roman
Joe, als sie das Schiff zu nahe an überhängende Bäume lenkte, deren Äste über das Ruderhaus streiften.
»Nichts passiert«, rief Ned.
»Verdammt«, fluchte Francesca undamenhaft. »Ich sollte mich besser auf meine Arbeit konzentrieren.«
»Auf der Jungfernfahrt hätte ich die Marylou zweimal fast auf Grund gesetzt, und dabei hatte ich damals schon mein Kapitänspatent.«
Mit diesem Eingeständnis hatte Francesca nicht gerechnet.
»Du machst das großartig, mein Mädchen«, lobte Joe sie.
Es war eine schwierige Aufgabe, das Schiff am Pier von Echuca anzudocken, zumal die Hafenarbeiter, Matrosen und Kapitäne auf den anderen Schiffen das Manöver aufmerksam verfolgten. Doch Francesca behielt die Nerven, zur großen Freude ihres stolzen Vaters. Zwar rammte sie dabei den Pier, aber nur leicht, ohne dass ein Schaden entstand. Auf dem Fluss verbreiteten sich Neuigkeiten rasch, wie Joe wusste, und Berichte über eine außergewöhnlich hübsche junge Frau am Steuer eines Dampfschiffes machten besonders schnell die Runde.
Nachdem sie festgemacht hatten, erklärte Joe, er wolle sich nach einem Hilfsmatrosen umschauen, während Francesca beschloss, einen Bummel über die High Street zu machen und sich die Geschäfte anzusehen. Sie versprach, nicht allzu lange fortzubleiben, doch sie wollte schleunigst den neugierigen Blicken auf dem Pier entfliehen; zudem hatte sie Lust, sich die Auslagen in den Geschäften anzuschauen, auch wenn sie sich nichts leisten konnte.
Montgomery Radcliffe holte gerade eine Bestellung seiner Mutter in Gregory Panks Stoffladen ab, als ihm eine junge Frau auffiel, die die Auslage betrachtete. Sie war ihm nie zuvor begegnet, und ihre Schönheit verzauberte ihn. Er konnte den Blick nicht von ihr wenden, sodass er gar nicht mitbekam, wie Gregory Pank sich für seinen Kauf bedankte und ihm einen schönen Tag wünschte. Beinahe hätte er den Laden ohne sein Paket verlassen.
Francesca bewunderte gerade ein Kleid in der Auslage und versuchte, sich in solch einem edlen Gewand am Steuer der Marylou vorzustellen. Doch irgendwie wollte das Bild sich vor ihrem geistigen Auge nicht richtig zusammenfügen, zumal sie sich die Marylou mit voller Ladung vorstellte. Ihr war bewusst, dass sie nach praktischer Kleidung Ausschau halten sollte, auch wenn sie sich nichts leisten konnte, aber das blassgelbe Kleid mit mokkafarbener Spitze war atemberaubend, und das zarte Gelb bildete einen wundervollen Kontrast zu ihren dunklen Haaren.
»Wenn Sie die Meinung eines Mannes hören wollen, ich finde es sehr hübsch«, bemerkte Montgomery neben ihr.
Erschrocken wandte Francesca sich um. »Wie bitte?«
Ein großer, elegant gekleideter Mann schaute sie mit warmem Blick aus braunen Augen an. Sein Haar war hellbraun und leicht gelockt, und seine Oberlippe zierte ein gepflegter Schnauzbart. Er hatte ein offenes und freundliches Gesicht.
»Ich finde dieses Kleid sehr hübsch«, bekräftigte er. »Und die Farbe würde Ihnen gut stehen.«
»Oh, ich liebe diese Farbe, aber ich befürchte, an dem Kleid ist auch ein hübsches Preisschild befestigt«, entgegnete Francesca, in deren Stimme Enttäuschung mitschwang, weil sie sich dieses Kleid nicht leisten konnte.
»Wahrscheinlich haben Sie Recht.« Statt ihr mit Herablassung zu begegnen, klang seine Stimme mitfühlend, beinahe wie die eines guten Freundes, der nachempfinden konnte, wie es war, wenn man sich etwas, das man gern besitzen würde, aus Geldmangel verkneifen musste.
»Ich habe Sie noch nie in der Stadt gesehen. Gestatten, Montgomery Radcliffe. Meine Freunde nennen mich Monty.« Er streckte ihr die Hand entgegen.
Radcliffe! Francesca musste unwillkürlich an das Gespräch mit ihrem Vater an Bord denken. Sie straffte sich, mit einem Mal ihrer Kleidung und ihrer unordentlichen Frisurbewusst. »Ich bin ... neu in der Stadt. Das heißt ... ich war eine Zeit lang fort ...« Nervös gab sie ihm die Hand. »Francesca Callaghan.«
»Ein reizender Name. Ich wollte gerade in die Teestube ein Stück die Straße hinauf. Würden Sie mir Gesellschaft leisten, Francesca? Der Kuchen dort ist köstlich.«
»Liebend gern, aber ... ich bin gleich mit meinem Vater ... am Pier verabredet.« Francesca errötete. Sie wusste, dass Monty seine Einladung bedauern würde, wenn er erführe, dass ihr Vater mit einem Raddampfer seinen Lebensunterhalt bestritt.
Monty war aufrichtig enttäuscht. »Sagten Sie Callaghan? Ist Ihr Vater etwa Joe Callaghan?«
»Ja. Sind Sie mit ihm bekannt?«
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