Am Fluss des Schicksals Roman
die Augusta dann als Lastkahn im Schlepp der Lady Daly eingesetzt wurde. Ein bitteres Ende für ein solch prächtiges Dampfschiff ...« Joe schüttelte den Kopf. »Sie ist vor vier Jahren gesunken«, fügte er hinzu.
Das Bedauern in Joes Stimme war nicht zu überhören, sodass Francesca erst jetzt vollends bewusst wurde, wie groß seine Begeisterung für Schaufelraddampfer war und wie tief sein Respekt. Dabei hatte sie immer gewusst, dass die Marylou für ihren Vater mehr war als bloß ein Dampfschiff. Aber sie hatte nie geahnt, wie viel das Schiff ihm tatsächlich bedeutete. Francesca schwor sich, die Marylou sicher ans Ziel zu bringen.
Auf den nächsten paar Meilen gab es weder Sandbänke noch Baumstämme, und Francescas Anspannung ließ ein wenig nach. Nachdem sie backbord die Stadt Moama und steuerbord einen Schlachthof passiert hatten, sagte Joe: »Ungefähr eine Meile voraus ist ein Riff, wo es von Fischen und Wasservögeln wimmelt. Am besten, du hältst dich auf der linken Seite des Flusses, wenn wir es erreichen. Ein Stück hinter dem Riff kommt eine Flussabzweigung. Von denen gibt esviele entlang des Murray, sodass es manchmal schwierig ist, sie von der Hauptroute zu unterscheiden. In solchen Fällen nimmt man am besten die Karten zu Hilfe. Wir müssen uns von dem Riff fern halten, sonst besteht die Gefahr, dass wir die Marylou auf Grund setzen oder dass sie sich in den Algen verfängt.«
Kurz darauf machte Joe sie auf einen Fischadler in den Bäumen sowie auf einen Eisvogel aufmerksam, der im Geäst eines umgestürzten Baumes saß.
»Die Vogelwelt hier am Murray ist einzigartig, Dad, und die Flusslandschaft ist traumhaft«, bemerkte Francesca. »Ich wünschte, ich wäre nach meinem Schulabschluss hierher zurückgekehrt, statt für die Kennedys zu arbeiten. Einen Raddampfer zu steuern ist tausendmal besser, als hinter dreizehn Kindern aufzuräumen.«
Joe erwiderte nichts, denn auch er hatte sich damals gewünscht, Francesca wäre wieder nach Hause gekommen. In ihrer Gesellschaft blühte er auf, und dass sie nun wieder den Fluss befuhren, entfachte in seinem Innern neuen Lebensmut.
An jenem Tag legten sie die gesamte Strecke bis zum Wald von Barmah zurück, wo sie bei Sonnenuntergang am Ufer anlegten. Am nächsten Morgen schipperten sie zurück nach Echuca. Francesca staunte immer wieder, über welch enormes Wissen ihr Vater verfügte. Er kannte die genaue Lage jeder Klippe, jedes umgestürzten Baumstammes und jeder Sandbank, ohne die Karte zu Rate ziehen zu müssen. Außerdem kannte er die Namen sämtlicher Farmen am Flussufer sowie ihre Geschichte.
»Das ist Derby Downs«, sagte er und zeigte auf ein beeindruckendes Anwesen, an dem sie gerade vorbeifuhren. Francesca stockte der Atem, als sie das Herrenhaus betrachtete. Es war ihr bereits auf der Hinfahrt aufgefallen, aber da war ihre Konzentration am Ruder zu sehr beansprucht gewesen.Jetzt sah sie, dass es sich um ein riesiges, zweistöckiges Domizil im Kolonialstil handelte, das auf einer Anhöhe stand, von der aus man den Fluss überblicken konnte. Wohl genährte Rinder und Schafe weideten auf grünen Auen, die sich bis zum Uferrand erstreckten.
»Was für eine wunderschöne Villa. Wem gehört sie?«, wollte Francesca wissen.
»Regina und Frederick Radcliffe. Angeblich sind die Radcliffes die wohlhabendste Familie in ganz Victoria ... woran ich keinerlei Zweifel habe.«
»Wie sind sie denn so?«
Die Frage überraschte Joe. Zugleich freute er sich über Frannies Interesse. »Regina gibt sich gern streng, manchmal sogar herzlos, aber sie hat kein leichtes Leben. Frederick hatte vor vielen Jahren beim Herdentreiben einen Unfall. Seitdem ist er an einen Rollstuhl gefesselt. Da er früher ein sehr aktiver Mann war, macht seine Behinderung ihm besonders schwer zu schaffen. Ich glaube, dass er seinen Missmut hin und wieder an Regina und ihrem gemeinsamen Sohn auslässt.«
»Für jemanden, der früher an Viehtrieben teilgenommen hat, muss es schrecklich sein, im Rollstuhl zu sitzen«, sagte Francesca.
»Mithilfe der Vorarbeiter und seines Sohnes kümmert er sich zwar immer noch um die Aufsicht der Viehzucht, aber Regina muss einen großen Teil der Verantwortung tragen. Sie ist für die Verwaltung des Vermögens zuständig, und ich glaube, sie führt auch die Bücher.«
»Das ist immer noch besser, als bloß eine dekorative Ehefrau abzugeben«, bemerkte Francesca, deren Bewunderung für Regina Radcliffe geweckt war.
»Pass auf, Frannie«, warnte
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