Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
Momentan sind Sie der einzige Zeuge und, wenn ich so sagen darf, in puncto Verlässlichkeit nicht gerade Spitzenqualität. Aber«, er hob rasch die Hand, um mich vom Dazwischenreden abzuhalten, »ich werde Ihre Angaben prüfen, auch wenn sich das alles so anhört, als wäre hier ein häuslicher Konflikt aus dem Ruder gelaufen. Vielleicht ruhen Sie sich erst mal aus und denken morgen früh noch mal über alles nach. Bis dahin werden mein Partner und ich ein paar Telefonate führen. Wir melden uns wieder. Vorläufig aber müssen wir davon ausgehen, dass Ihr Sohn bei seiner Mutter in Sicherheit ist.«
»Dieser Kerl ist ein Schläger. Mich hat er so zugerichtet, sie hat seinetwegen den Arm im Gips. Er ist gefährlich!«
»Und wenn er in New York City ein Verbrechen begangen hat, beschaffe ich einen Haftbefehl und sorge dafür, dass sein Arsch hierher verfrachtet wird. Damit meine ich auch tätlichen Angriff und Entführung. Auf Wiedersehen, Mr. Stafford!«
Ohne die vier Polizisten rund um meine Liege kam der Raum mir viel größer vor.
»Ich gehe.« Es klang nicht nach mir. Ich hörte mich an wie ein Psychopath mit Borderline-Syndrom.
»Sie müssen sich abmelden.« Schwester Maya versuchte freundlich und wachsam zugleich zu sein.
»Ich bin abgemeldet«, sagte ich. »Mir geht’s gut. Wo sind meine Sachen?«
Ich musste mich bewegen – handeln. Hemd und Jackett waren zerrissen und blutverschmiert, die Hose schmutzig, aber ich wollte schließlich zu keiner Modenschau. Ächzend und nach Luft schnappend, wenn eine Bewegung neuen Schmerz auslöste, zog ich mich an.
Sobald sie hörte, dass ich gehen wollte, zeigte Dr. Glen sich sehr besorgt. Als ich schließlich gegen zwei Uhr nachts an der Amsterdam Avenue im Regen stand und versuchte, ein Taxi zu ergattern, war ich von ihr mit allem ausgestattet: einem Rezept für ein starkes Schmerzmittel, von dessen Einnahme sie mir allerdings mit Blick auf die Gehirnerschütterung abriet, mehr Regress-Verzichtserklärungen, als ich sie bei der Haftentlassung hatte unterzeichnen müssen, und einer vorgedruckten Anleitung, wie ich die geklammerte Wunde am Hinterkopf zu versorgen hatte. »3) Mit leichten Nachblutungen ist zu rechnen«, und: »9) Sollte es zu neuerlichen Blutungen kommen, suchen Sie die Notaufnahme auf.« Oder: »5) Reinigen Sie die Wunde vorsichtig mit Wasser und einer milden Seife«, und: »8) Halten Sie die Wunde trocken. Verzichten Sie _ Tage aufs Haarewaschen.«
Da stand ich in der Kälte, hielt mir das Bündel Papiere über den Kopf, um die Wunde vor dem leichten Regen zu schützen, und begriff, dass ich keine Ahnung hatte, wo ich hingehen und was ich als Nächstes tun sollte.
19
Ich fuhr nach Hause und rief meinen Vater an. Er war noch bei der Arbeit.
»Paps?«
Ich saß in meinem kaputten Sessel, schaute auf den Broadway hinunter und hielt mir mit einer Hand einen Eisbeutel an den Hinterkopf und mit der anderen das Handy ans Ohr.
»Hallo! Sohn Nr. eins! Wieso bist du um diese Zeit wach?«
Seit fünfzig Jahren machte mein Vater die Bar selbst zu – unter der Woche um zwei, samstags und sonntags morgens um vier.
»Ich brauche einen guten Rat«, sagte ich.
»Und da rufst du deinen alten Vater an. Ich hab immer gewusst, dass das eines Tages passiert – wenn ich nur lange genug am Leben bleibe.«
»Hast du eine Minute?«
Bestimmt saß er am Tresen, trank den einzigen Jameson’s, den er sich am Abend gestattete, und überprüfte seine Bestände. Die Türen waren abgeschlossen, der letzte Gast hinauskomplimentiert, das Licht gedimmt. Während meines dritten College-Jahres hatte ich festgestellt, dass dies die beste Zeit war, um ihn anzurufen. Dann wirkte er nie gestresst oder besorgt. Klang müde, aber zufrieden. Zu kleinen Scherzen aufgelegt; bereit, zuzuhören, wenn es mir darum ging, oder einfach ein bisschen über die jüngsten Schnitzerder Yankees zu plaudern – über die Erfolge gab es nicht viel zu reden, die erwartete man von ihnen.
Ich brachte ihn auf den neuesten Stand.
Er gab ein kehliges Stöhnen von sich. »Was für ein beschissenes Chaos. Weißt du schon, was du jetzt machst?«
»Nein, das weiß ich nicht. Am liebsten würde ich sofort runterfahren nach Louisiana, den Jungen zurückholen – und mir die Zeit nehmen, mit einem Baseballschläger bei TeePaul vorbeizuschauen.«
»Hm«, sagte er.
»Ja, ich weiß. Wenn ich da unten erwischt werde, schickt der Bewährungshelfer mich zurück ins Gefängnis – auch wenn ich diesem Arsch nicht
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