Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
Gehirnerschütterung. Sie waren in eine Schlägerei verwickelt.«
»Das war keine Schlägerei!« Ich war angegriffen worden. Überfallen. Verletzt. Es war keine Schlägerei!
Sie lächelte skeptisch.
»Wo ist mein Sohn?!?« Ich setzte mich auf. Sofort fing das Karussell an, sich zu drehen, mit bunten Lichtern und jaulendem Leierkasten und allem. »Oh, Scheiße.« Ich sackte weg.
Als ich das nächste Mal zu mir kam, stand eine Frau mit Maya-Zügen neben mir und maß meinen Blutdruck. Sie sah, dass ich wach war, und lächelte.
»Besser?«, fragte sie.
»Ja, danke, viel besser.« Und das stimmte. Plötzlich war die Grenze zwischen Schmerz und Unwohlsein viel leichter auszumachen. Ich fühlte mich sehr unwohl.
Ich lag nach wie vor in der Notaufnahme, allerdings nicht mehr auf einer Tragbahre. Sie hatten mich auf eine richtige Liege umgebettet, und ich war von piependen Monitoren umstellt.
»Wie lautet das Urteil?« Ich nickte in Richtung Blutdruckmesser.
Sie nahm mir die Manschette ab. »Hundertzwanzig zu achtzig. Sie kommen durch.«
»Diese Ärztin will mich hier weg haben, glaube ich. Sie haben wahrscheinlich zu wenig Betten.«
Sie verdrehte die Augen. »Dr. Glen hätte lieber Tierärztin werden sollen.« Damit schob sie den Vorhang, mit dem meine Liege vom restlichen Raum abgetrennt war, zur Seite und wollte gehen.
»Einen Augenblick noch. Ist jemand hier, mit dem ich reden kann? Ich fürchte, mein Sohn ist verschwunden. Ich muss unbedingt wissen, was mit ihm ist.«
»Polizei. Die sind noch da, weil sie mit Ihnen sprechen wollen. Ich schicke sie rein.«
Meine Uhr hatte ich noch. Es war kurz nach Mitternacht. Fast vier Stunden. Ich redete mir ein, dass mit dem Jungen alles in Ordnung war. Dass er bei den Polizisten war. Im Wartezimmer saß und sein neues Autobuch anschaute oder längst schlief. Vielleicht hatten sie ihn auch schon nach Hause gebracht. Denn wenn das nicht der Fall war – wo zum Henker steckte er dann?
Eine füllige Krankenschwester schob den Vorhang beiseite, kam herein und ging zu dem Schrank an der seitlichen Wand des Raums.
»Schwester? Entschuldigung? Schwester?«
Sie riss eine Plastikpackung mit sterilen Handtüchern auf und nahm eins heraus. Zwei weitere rutschten ebenfalls aus der Packung und fielen zu Boden.
»Schwester? Können Sie mir helfen? Ich muss wissen, was mit meinem Sohn ist.«
Sie hob die beiden Tücher auf, stopfte sie zurück in die Packung und pfefferte das Ganze in den Schrank.
»Schwester? Hallo?!?« Sie ging mit ihrem Handtuch davon.
»Mr. Stafford?« Am Vorhang erschien ein müde aussehender Polizist. »Können wir jetzt reden?« Das war die ältere Stimme, die ich schon gehört hatte.
»Wissen Sie, wo mein Sohn ist?« Ich gab mir Mühe, beherrschtzu klingen. Mein Blutdruck war inzwischen vermutlich bei zweihundert, und das Lämpchen an dem Monitor, der meinen Puls zeigte, blinkte wie ein Stroboskop.
»Dem Jungen geht es gut«, beruhigte er mich. »Er hat sich ein bisschen gefürchtet und ist weggelaufen.« Der Polizist lachte. »Aber, mein lieber Mann, Sie haben ihn gut erzogen. Allein über die Straße gehen kam für ihn nicht infrage, also ist er immer um den Block gelaufen, bis wir bei ihm waren.«
Ich schluckte ein paarmal, bis ich meine Stimme wieder hatte. »Vielen Dank. Wann kann ich ihn sehen?«
Der Polizist zuckte die Achseln. »Lassen Sie mich erst mal meine Fragen stellen, okay? Danach sehen wir, ob die Sie schon nach Hause lassen.«
Er war gut. Er stellte die richtigen Fragen, und er stellte sie dreimal. Aber ich konnte ihm nicht viel erzählen. Es ergab keinen Sinn. Brieftasche und Uhr hatte ich noch, also war es kein Raubüberfall gewesen. Es gab genügend Leute, die mich nicht leiden konnten, aber unter denen war wohl kaum jemand, der mich vier Blocks vom Lincoln Center entfernt auf offener Straße überfallen hätte.
»Irgendeine Besonderheit an seinem Auftreten, an seiner Art, sich zu bewegen, vielleicht?«
»Ich habe ihn ja kaum gesehen.« Dann fiel mir etwas ein. »Ich weiß nicht, vielleicht habe ich mir das nur eingebildet, aber als er nach mir getreten hat ...«
»Ja?«
»Es war komisch. Ich habe mich zusammengerollt und nicht hingesehen, aber es kam mir so vor, als würde er mit dem einen Bein mehr machen als mit dem anderen. So als würde er leicht hinken, vielleicht.«
»Hmm.« Er schien nicht überzeugt, machte sich aber trotzdem eine Notiz. »Ist das alles?«
»Ich fürchte, ja.«
Nun steckte er sein Notizbuch ein.
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