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Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Sears
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war seine Grenze, aber bis zur nächsten Kreuzung hatte er nur noch ein, zwei Hüpfer. Ich verkniff es mir, ihn zurückzurufen, und beglückwünschte mich dazu, wie ein nachsichtiger, vertrauensvoller Vater gehandelt zu haben.
    Als er am Bordstein angelangt war, blieb er stehen und drehte sich zu mir um. Praktisch im selben Augenblick begann er zu stöhnen und die Arme wie Flügel auf und ab zu bewegen. Seine Lippen formten ein großes »O«, und er schloss die Augen. Ich hatte keine Ahnung, was ihn so aufregte, ich sah nur, dass er den Verkehr hinter sich überhaupt nicht mehr wahrnahm. Ich verfluchte mich dafür, dass ich ihn so weit hatte vorauslaufen lassen, und rannte los.
    Ich war vielleicht zwei, drei Schritte gelaufen, da traf mich von hinten etwas – jemand – Großes. Meine Füße kamen auf dem glitschigen Untergrund ins Trudeln, um ein Haar hätteich das Gleichgewicht verloren. Ich wandte den Kopf, um den Angreifer zu sehen. Ein Fehler. So bot ich ihm nur ein umso besseres Ziel. Bevor seine Faust mein linkes Auge traf, erfasste ich für einen Sekundenbruchteil verschwommen die Gestalt eines großen Mannes mit langem Arm.
    Mein Hinterkopf prallte gegen die Betonwand der Duane-Reade -Drogerie, und dann ging ich zu Boden. Beim ersten Fausthieb in den Magen war ich noch bei Bewusstsein. Kid schrie, aber ich konnte nichts tun.
    Jemand rief immer wieder meinen Namen. Ich wünschte, er würde damit aufhören. Da, wo ich war, tat mir nichts weh, und ich wusste, dass es, wenn ich durch das ständige Rufen zurückgeholt würde, wehtun würde. Sehr.
    »Jason Stafford!« Die Zeit schien sich zurückzudrehen. Erst öffnete ich die Augen, dann hörte ich jemanden meinen Namen rufen. Dann roch ich das Amylnitrat. Mein Herz raste, und einen Moment lang fühlte ich mich unglaublich stark. Dann tat mir das Herz weh, und um mich her drehte sich wieder alles.
    »Dableiben, Jason!«, schrie der schreckliche Mann. Er zog eines meiner Lider hoch, und das grelle Licht einer Stablampe bohrte sich in meine Pupille. Wie in einem Kaleidoskop sah ich explodierende Windmühlen und bunte Funkenregen.
    »Gehirnerschütterung, ganz klar.« Jetzt sprach der Mann zu jemand anderem. Wahrscheinlich war er der Meinung, dass er mir half, aber mir wäre es am liebsten gewesen, er wäre endlich verschwunden.
    »Kann er sprechen?« Eine zweite Stimme. Noch ein Fremder. Älter.
    Ich erklärte, dass ich sehr wohl in der Lage sei zu sprechen, doch es kam nur ein Krächzen heraus.
    »Was hat er gesagt?«
    Der Kopfschmerz fühlte sich anders an als der Schmerz in der Seite. Plötzlich war Schmerz keine universelle Konstante mehr – es gab unterschiedliche Noten und Ausprägungen, zu verschiedenen Zeiten taten verschiedene Regionen des Körpers unterschiedlich weh. Nach und nach fand ich zu mir zurück. Und erinnerte mich.
    »Wo ist mein Sohn?« Meine Stimme klang wie ein Holzlöffel, der klappernd in den Müllschlucker fällt.
    »Er versucht zu sprechen.« Der Mann mit der Stablampe.
    Warum, zum Teufel, antwortete er mir nicht einfach?
    »Geht es dem Jungen gut? Wo ist er? Kid! Kid! Bist du da?« Es hörte sich nicht danach an. Ich musste ihn suchen.
    »Halten Sie ihn fest! Mein Gott!«
    Der Schmerz wurde übermächtig. Er steigerte sich zu einer fulminanten Koda. Schmerz konnte Stahl biegen, sich durch Mauern bohren, Knochen zu Staub zermahlen. Ich liebte meinen Schmerz. Solange ich ihn fühlte, war ich lebendig. Solange er blieb, war ich für nichts verantwortlich, oblag mir keinerlei Pflicht. Als er allmählich verschwand, versuchte ich, ihm zu folgen. Und landete ganz woanders.
    Als Nächstes stand eine zornige Frau neben mir und beugte sich über mich. Sie trug einen weißen Kittel über einem grauen Yale-Sweatshirt. Ihr Gesicht war groß, energisch, mit buschigen Brauen und einem ausgeprägten, kantigen Kinn.
    »Wie viele Finger halte ich hoch?« Sie klang, als hätte sie langsam genug von meinem Simulieren und wollte mich endlich weg haben von ihrer Notaufnahme-Station.
    »Wenn ich Ihnen das sage, glauben Sie mir ja doch nicht.«
    »Tut Ihnen was weh?«, fragte sie, in einer Lautstärke, als wäre ich taub oder ein Ausländer.
    Ich machte eine Bestandsaufnahme. Im Hinterkopf pochtees. Meine Rippen schmerzten – sobald ich mich bewegte, würden die Schmerzen noch schlimmer werden. Ich versuchte zu zwinkern. Es tat weh.
    »Ja«, sagte ich.
    »Damit war zu rechnen«, bellte sie.
    »Wo ist mein Sohn?«, bellte ich zurück.
    »Sie haben eine

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