Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
Ihnen für die erste Woche einen Scheck ausgestellt.« Er reichte mir ein Kuvert. »Besprechen Sie mit Gwendolyn, wo Sie ein Plätzchen zum Arbeiten finden. Sie kann auch die Gesprächstermine für Sie vereinbaren.«
Ich gab mir Mühe, den Scheck so beiläufig wie möglich in die Jackentasche zu stecken. Das Geld würde meinen Bewährungshelfer milde stimmen und meine rapide schwindenden Rücklagen auffüllen. Ich hatte fest vor, die Sache auf volle zwei Wochen auszudehnen. Den zweiten Scheck wollte ich auf jeden Fall haben.
Stockman erhob sich, wischte sich die Handfläche an der Hosennaht ab und schüttelte mir die Hand. Obwohl das kleine Podest unter seinem Schreibtisch sein Bestes gab, musste er trotzdem zu mir aufschauen.Gwen tippte den Sicherheitscode ein, die Tür schwang auf, und gleich darauf umfing uns das vertraute Stimmengewirr eines Handelsraums in voller Vormittagsaktivität. Augenblicklich war ich hellwach – alle Sinne geschärft, voll auf Empfang. Ich kam mir klüger vor, jünger, furchtlos. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte ich mich am Beginn eines jeden Arbeitstages so gefühlt.
Gwen führte mich durch den fußballfeldlangen Raum zu der Reihe von Büros auf der gegenüberliegenden Seite. Der Geruch von Geld hing in der Luft. Von Geld, das gemacht oder verloren werden konnte. Es war nicht der etwas ranzige Geruch des Konsums und auch keine halluzinogene Casinoschwade; es war der reine, unverfälschte, klare Duft des Geldes an sich, das von einer Sekunde zur nächsten seine Besitzer wechselt.
Die Atmosphäre vibrierte vor kaum beherrschter Panik. Fressen oder gefressen werden. Alle riefen durcheinander.
»Ich habe ein Angebot von 29 für Ihre Anteile.«
»Wir sind fest bei 30. Wir bereiten eine Order vor. Er wird sich nicht bewegen.«
»Hört mal, Leute! Wir haben Dollars zu verkaufen. Bringt mir Käufer!«
»Wie viel?«
»Überraschen Sie mich.«
»He! Fannie Mae auf dem Ticker!«
»Scheiße. Und jetzt?«
An der New Yorker Aktienbörse, an den Terminbörsen in Chicago, New York und Singapur, in jedem Handelsraum jeder größeren Bank in jedem Finanzzentrum der Welt – überall sprechen sie dieselbe Sprache. Alle sind sie im selben Rausch. Von Geld, das rasend schnell bewegt wird. Wenn du diese Droge einmal genommen hast, kommst du nie mehr ganz davon los. Ich war für immer abhängig, und in jenemAugenblick war ich der Versuchung so nahe, wie ich es vielleicht nie wieder sein werde.
Gwen klopfte einmal an die Tür eines der Glaskastenbüros, führte mich hinein, nannte unser beider Namen und zog sich zurück.
Eugene Barilla war zu meiner Zeit bei Case Securities Global Sales Manager für den Rentenmarkt gewesen. Unsere Wege hatten sich gelegentlich gekreuzt. Er war direkt, manchmal sogar brüsk, aber ein ausgemachter Teamplayer. Ein Vermittler. Ich hatte ihn gemocht.
Er mochte mich nicht. Das erfuhr ich, als er es mir sagte.
»Jason Stafford? Ich mag Sie nicht.« Er stand auf, sah mir in die Augen und ignorierte die Hand, die ich ihm hinstreckte. »Mir gefällt nicht, was Sie getan haben. Meiner Meinung nach sind Sie zu billig davongekommen. Und jetzt gefällt mir nicht, dass Sie dafür bezahlt werden, sich hier bei mir umzuschauen. Sanders war ein guter Mann. Ihn habe ich gemocht. Und falls er doch etwas Krummes vorhatte, werde ich das herausfinden. Ich brauche Sie nicht.«
Er hatte ein gewaltiges, kantiges Kinn, das er immer wieder entschieden vorreckte. Es stellte ein verlockendes Ziel dar. Ich atmete ganz langsam aus und antwortete ruhig.
»Es ist niemand zu Tode gekommen.«
»Darum geht’s nicht.«
»Ich habe meine Strafe abgesessen, Gene. Ich bin nicht stolz auf das, was ich getan habe, aber ich habe dafür bezahlt. Ich kann neu anfangen.«
»Haben Sie eigentlich eine Ahnung, wie viele Leute nach diesem Chaos ihren Job verloren haben? Es ist Ihr Verdienst, dass die Bank – durch alle Abteilungen – Einschnitte vornehmen musste. Und was ist mit den Leuten, die ihre gesamten Ersparnisse verloren haben, als der Kurs der Aktie damals in einer Woche einen Verlust von achtzig Prozent erlitt? Typenwie Sie tun immer so, als gäbe es bei solchen Vergehen keine Opfer. So ist es nicht. Sie haben immensen Schaden angerichtet. Haben Sie darüber jemals nachgedacht?«
Das hatte ich, aber mit ihm würde ich darüber nicht reden. »Ich habe auch alles verloren und zwei Jahre in einem Bundesgefängnis zugebracht. Ich bemühe mich sehr, das alles hinter mir zu lassen. Das ist nicht
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