Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
herauszugeben.«
»Wonach suchen die?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe unsere eigenen Buchprüfer und Aufsichtsgremien beauftragt, die Sachen durchzusehen, und sie haben nichts gefunden, was die Börsenaufsicht interessieren könnte.«
»Aber Ihnen ist trotzdem nicht wohl bei der Sache.«
»Auf den Märkten herrschen enorme Turbulenzen. Mir kommt es vor allem darauf an, das Überleben dieser Firma zu sichern ...«
Ich fragte mich, ob ich ihn dafür besonders loben sollte.
»... und wenn es etwas gibt, was meine Arbeit gefährden könnte, will ich das wissen. Bevor ich die Unterlagen an die Börsenaufsicht gebe.«
Die Sache interessierte mich. Mein Bewährungshelfer würde sich freuen. Mein Konto würde sich freuen. Und ich hatte nichts dagegen, die Behörden mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Es würde zumindest ein kleiner Ausgleich sein.
»Ich kläre meine privaten Angelegenheiten und fange Montag in einer Woche an. Wäre Ihnen das recht?«
»Meine Hoffnung war, dass Sie gleich kommende Woche anfangen können. Es sind umfangreiche Überprüfungennötig. Ich denke, länger als eine oder zwei Wochen wird das nicht dauern, aber ich muss es geklärt haben, bevor die von der Börsenaufsicht gesetzte Frist abläuft.«
Mein Rückflug von New Orleans war für Mittwoch gebucht, so dass ich zwei Tage vor meinem nächsten Treffen mit dem Bewährungshelfer wieder da sein würde.
»Ab Donnerstag könnte ich es wohl hinkriegen, denke ich.«
»Ich biete Ihnen fünftausend am Tag plus Spesen, wenn Sie am Montag anfangen.«
Zwei Wochen lang fünftausend am Tag. Für das Geld war ich zu Kompromissen bereit.
»Sagen Sie Dienstag, und wir sind uns einig.« Ich würde schon einen Flug für den späten Montagabend finden.
»Einverstanden. Melden Sie sich in meinem Büro. Ich erwarte Sie am Dienstag gegen halb zehn. Und danke.«
Ich vollführte einen Freudentanz durchs ganze Wohnzimmer.
Da kam Geld rein. Ich war obenauf. Plötzlich schien es möglich, Angie zurückzugewinnen. Alles war möglich.
Ich machte mich auf den Weg zur ältesten Weinhandlung Amerikas, um etwas Besonderes für das Essen bei meinem Vater zu besorgen. Die Bordeaux schaute ich mir genauer an – den Siebenhundert-Dollar-Mouton-Rothschild, den Dreihundert-Dollar-Cos. Um ein Haar hätte ich einen Neunzig-Dollar-Barolo gekauft – er war im Angebot, und ich war sicher, dass er ein, zwei Jahre später doppelt so viel wert sein würde. Am Ende entschied ich mich für einen kalifornischen Zwanzig-Dollar-Merlot. Die Zeiten hatten sich geändert.
3
Über eine Stunde ließ Stockman mich vor seinem Büro warten. Das machte mir nichts aus. Es stand ihm zu, und außerdem fühlte ich mich, als könnte ich zum ersten Mal seit einer Woche sitzen. Vielleicht wollte er mich auf diese Weise bestrafen – ich hatte ihn nach meiner Louisiana-Reise dann noch eine volle Woche warten lassen. Die Begegnung mit Angie war nicht ganz so verlaufen, wie ich es mir erhofft hatte. Ich las das Wall Street Journal und die Financial Times durch, um mich auf die Welt einzustimmen, in die ich nun wieder eintreten würde. Aber mein Kopf war anderswo – bei den maroden Überresten meiner Ehe. Meine Miene muss mehr als finster gewesen sein.
»Mr. Stafford?« Plötzlich stand Stockmans Sekretärin vor mir. »Ist alles in Ordnung?«
Ich blickte auf in ihr freundliches Gesicht. Gwendolyn mochte vierzig sein oder sechzig – ich konnte es beim besten Willen nicht erkennen. Sie strahlte Ruhe aus, Geduld, Mitgefühl. Und Effizienz. »Danke, ja. Alles in Ordnung. Die Woche war intensiv.«
Sie lächelte, und ich hatte das Gefühl, dass mir vergeben war. »So etwas machen wir doch alle hin und wieder durch.« Dann räusperte sie sich. »Mr. Stockman erwartet Sie.«
»Danke.« Ich stand auf, schüttelte die Erinnerungen ab und stellte mich darauf ein zu arbeiten.
Gwendolyn führte mich hinein zu dem großen Mann.
»Jay! Tut mir leid, dass Sie warten mussten. Verzeihen Sie mir, es kommt nicht wieder vor. Ich hatte Volcker am Telefon.«
Paul Volcker. Der angesehenste, bekannteste Banker, der jemals Vorstand der US-Notenbank war. Für dich immer noch Mister Volcker, du Trottel, dachte ich.
»Wir kennen uns schon ewig, wissen Sie.«
Wusste ich nicht. Ich hatte nie im Leben auch nur ein Wort mit Paul Volcker gewechselt und bezweifelte, dass Stockman und ihn mehr verband als eine gemeinsame Fahrstuhlfahrt.
Bill Stockman kleidete sich immer noch zu schick. Sein Haar war gekämmt, geföhnt
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