Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
gut? Hat dir jemand wehgetan? Wir können dir helfen.«
Mein Sohn verdrehte die Augen und stöhnte wie ein Ghul in einer englischen Schauergeschichte. »Nille! Nille!« Dann seufzte er herzzerreißend. Es war eine Tony-Award-verdächtige Darbietung.
Der Polizist blickte zu mir auf.
»Eis«, sagte ich. »Er will Eis.«
»Ach.« Er erhob sich. »Entschuldigen Sie.« Sein Partner hatte Mühe, sich ein Grinsen zu verkneifen.
»Können wir jetzt gehen?«, fragte ich.
Sie winkten mich durch.
Da dachte ich, ich wäre aus dem Schneider. Ich war stolz auf uns. Wir hatten unseren ersten Sturm zusammen durchgestanden.Wir hatten unsere Kämpfe, aber wir kriegten es hin. Alles war gut.
Auf dem gesamten Weg durch die Fluggastbrücke hielt das gute Gefühl an. Bei dem Schritt ins Innere der Maschine jedoch war eine Ritze von etwa einem Zentimeter zu überwinden. Mein Junge fing an zu kreischen.
Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich begriffen hatte, wo das Problem war. In der Zeit schaffte er es, allen anderen Kindern in der Schlange schreckliche Angst einzujagen. Außerdem machte er in die Hose. Nicht nur Unterhose und Hose waren triefnass, sondern auch eine Socke und ein Schuh. Und er hatte einen Schweißausbruch, so dass es sich, als ich ihn packte, hochnahm und trotz seines Gestrampels über die Ritze hinweg ins Flugzeug hob, anfühlte, als müsse ich mit einem eingefetteten Ferkel fertig werden.
Ich nehme allerdings an, dass Ferkel nicht so prompt beißen wie er. Den Flugbegleiter, der mir zu Hilfe kam, biss er nicht – das hätte vermutlich zur Folge gehabt, dass wir augenblicklich weggeschickt, wenn nicht verhaftet worden wären. Er biss mich – so fest, dass er zwei Löcher in meinen Ralph-Lauren-Blazer riss. Er biss auch sich selbst, aber das erst später.
Als ich neue Sachen aus seinem Handgepäck holte und ihn umzog, sträubte er sich mit Händen und Füßen. Genervt schoben die anderen Passagiere sich an uns vorbei. Zunächst weigerte er sich, den Gurt zu schließen, und als das endlich geschafft war, zog er ihn dermaßen stramm, dass ich schon fürchtete, er könnte sich damit in zwei Stücke zerteilen. Wir standen immer noch am Gate, und ich war reif für einen Wodka on the rocks.
Mit dem Kreischen ging es erst wieder los, als wir oben waren und der Pilot über die Bordlautsprecher erzählte, um welche Zeit wir in etwa landen würden und wie die Wetterprognosenwaren. Kid schaute sich panisch nach der Quelle des hässlichen Brummens um, das die Ansage des Piloten begleitete, dann schrie er ohne Vorwarnung los. Der Mann direkt vor uns reagierte, als habe ihm jemand einen Spaten über den Hinterkopf gezogen. Selbst Leute, die sich über Kopfhörer mit lauter Musik beschallten, hörten es und drehten sich um. In dem Schrei lagen solches Leid und so schreckliche Angst, dass andere Kleinkinder nicht minder laut und ebenso ängstlich einfielen. Wer an Bord unter sechs war, fing an zu weinen.
Mein Sohn kämpfte gegen die Mächte des Chaos. Er biss mich in den anderen Arm und hinterließ dort entsprechende Löcher im Jackett. Er ging auf die Flugzeugwand los, so heftig er konnte, und benutzte dazu als Waffe seinen Kopf. Mindestens fünf, sechs Mal tat er das, bis es mir endlich gelang, einen Arm um ihn zu schlingen und ihn davon abzuhalten.
Eine Stunde lang wechselte sein Verhalten zwischen hysterischem, Übelkeit verursachendem, atemlosem Schluchzen in hilfloser Wut und ohrenbetäubendem Kreischen in einer Rage, für die es keine Hilfe gab. Er grunzte, bellte, fauchte.
Schließlich biss er sich selbst. Er schnappte nach seiner Hand und schüttelte den Kopf wie ein Pitbull, der sich in einem Shih Tzu verbissen hat. Wieder legte ich den Arm um ihn und zog ihn an mich, so fest ich konnte, während ich ihm mit der anderen Hand die Nase zuhielt. Er musste den Mund öffnen, um Luft zu holen, und so konnte ich seine Hand befreien. Ich hielt ihn weiter, obwohl er mich grimmig ansah und mit den Zähnen knirschte. Und dann warf er sich plötzlich mit einem tiefen Seufzer gegen die Rückenlehne. Im nächsten Augenblick war er eingeschlafen.
Mein Herzschlag normalisierte sich. Ich war vollkommen erledigt. Auf dem Gefängnishof hatte ich einmal beobachtet,wie ein riesiger Kerl einen Koller bekam. Boxend, schubsend und um sich tretend schob er sich zwischen den anderen hindurch. Es war, als hebe er hier und da Männer hoch und werfe sie einfach beiseite. Ich hatte nicht mitbekommen, warum er so außer sich war, aber ich
Weitere Kostenlose Bücher