Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
stand.
»Ngngngng.« Es war eine Mischung aus Knurren und Weinen. Ein Laut, wie ihn kein Kind hervorbringen können sollte.
Als ich mich umdrehte, um die Fahrstuhltüren aufzuhalten, bewegte ich meinen Fuß von der schwarzen Fliese weg. Da entspannte er sich.
»Nun komm. Die Tür geht gleich zu.«
Fahrstuhlregeln: Wenn der Erwachsene die Kabine verlassen hat, dürfen sich auf keinen Fall die Türen schließen. Vorsichtig kam er heraus, mit einem gezielten Schritt auf eine weiße Fliese.
»Loch«, sagte er und zeigte schaudernd auf ihr bedrohliches schwarzes Gegenstück.
Ob es ein Loch im Boden war oder eins im Firmament, habe ich nie herausgefunden. Aber ich hatte inzwischen gelernt, seine Ängste zu respektieren – und nur die Kämpfe auszutragen, die wirklich wichtig waren. In einem seltsamen Pas de deux durchquerten wir die Lobby. Angestellte und zufällig vorbeikommende Nachbarn lächelten nur. Zwei Tage später brachte er auch Heather bei, die schwarzen Fliesen zu meiden.
5
Dienstag.
Unrasiert und in denselben Klamotten wie am Abend zuvor war Spud über dem kleinen Konferenztisch zusammengesackt – er schlief tief und fest.
»Aufstehen, Spuddy-Boy!« Meine Nacht mit Kid war anstrengend gewesen, und ich brachte wenig Geduld mit.
Er fuhr hoch, sah sich um und nahm verwundert zur Kenntnis, dass sein Schlafzimmer sich in einen kleinen grauen Karton verwandelt hatte.
»Brauchen Sie noch einen Augenblick? Wollen Sie sich vielleicht einen Kaffee holen oder etwas anderes?« Ich gab mir alle Mühe, bissig zu klingen. Mein Sohn hatte zwei Nachtschreck-Attacken gehabt. Die Bezeichnung ist absolut zutreffend, das Phänomen, so war mir versichert worden, »völlig normal«, aber nach zwei solchen Zuständen in einer Nacht litt ich unter schlafmangelbedingtem Adrenalinüberschuss und war äußerst reizbar.
»Oahh. Entschuldigung. Ich meine, nein, mir geht’s gut.« Er schüttelte mehrmals den Kopf, blinzelte und schien immer noch nicht ganz realisiert zu haben, dass ich da war.
»Wilder Abend?« Ich bohrte weiter.
Und endlich wusste er meinen Ton zu deuten.
»Moment mal, nein. Überhaupt nicht. Ich war die ganze Nacht hier. Irgendwann bin ich wohl eingenickt.«
Ich sah mich um. Aus dem Papierkorb in der Ecke ragteein Pizzakarton, darunter lagen mehrere leere Diet-Coke-Dosen, ein ganzes Sixpack wahrscheinlich. Und irgendwie hatte er es geschafft, das verdammte Air-Condition-Gebläse auszuschalten. Das stimmte mich milder; ich mäßigte meinen Ton.
»Tut mir leid. Lassen Sie sich Zeit. Sortieren Sie sich erst einmal, und wenn Sie so weit sind, berichten Sie mir.«
»Mir geht’s gut.« Er gab sich einen Ruck und sah mich tapfer an.
»Ich dachte, das wird ein Kinderspiel. Kein Problem, haben Sie doch gesagt.«
Nun nickte er reumütig. »In dem Gefühl habe ich auch angefangen. Aber als ich den letzten Report durchging, habe ich gemerkt, dass eine ganze Menge Trades fehlten.«
»Okay. Also haben Sie sie beim Abfragen der Daten nicht vollständig erfasst.« Wo Müll hineingefüllt wird, kommt eben nur Müll heraus.
»Das habe ich sofort gecheckt, aber das war es nicht. Das System hat nicht einfach eine ganze Spalte übersprungen, sondern selektiv einzelne Trades.«
Das war merkwürdig. »Woran haben Sie das überhaupt gemerkt?«
»Ende Juni hat Brian eine große Sache abgeschlossen. Er war völlig high deswegen. Es ging um die Glattstellung einer Position, an der er über einen Monat gearbeitet hatte. Er ist sogar mit mir ein Bier trinken gegangen, um das zu feiern.«
»Und dieser Abschluss taucht in der Computerstatistik nicht auf?«
»Richtig. Allein wegen der Größe hätte er auf dem Report ins Auge springen müssen.«
»Also haben Sie sich die ausgedruckten Dokumente noch einmal vorgenommen ...«
Wieder nickte er. »... und ganz schnell gemerkt, dass noch mehr Trades fehlen. Sehr viele.«
»Ist ein Muster erkennbar? Geht es immer um große Abschlüsse?«
»Ja und nein. Es ist jede Größenordnung dabei – da sehe ich überhaupt kein Muster. Aber es handelt sich durchweg um Abschlüsse mit ein und demselben Kunden. Es geht um einen kleinen Hedgefonds namens Arrowhead .«
»Was wissen Sie über die?«
»Nichts. Brian hat mit ihnen Geschäfte gemacht und mich beauftragt, die Handelsbelege zu schreiben.«
Was soll ein Assistent schon weiter wissen, dachte ich. Und versuchte es anders.
»Was meinen Sie denn, wie diese Trades aus dem System verschwinden konnten?«
»Das sind sie ja eben
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