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Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Sears
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gelernt hatte, war: Die richtig harten Kerle erzählen dir nicht erst, was sie vorhaben – das tun nur die primitiven Schläger. Wenn du dir die aber nicht gleich vom Hals hältst, können sie dir fast genauso zusetzen wie die wortkargen Psychos.
    Ich bekam schließlich eine Hand frei, streckte sie unter dem Laken hervor und angelte mir Tinos Schere. Und dann stieß ich sie Bubba ins Bein. Mit Gefühl. Ich wollte keine Arterie verletzen.
    Er schnappte zweimal nach Luft, so als wolle er seine Seele wieder einsaugen, dann verdrehte er die Augen und kippte hintenüber von der Veranda. Er landete auf dem Boden wie ein Futtersack.
    Angie ließ ihr Evian fallen und fing an zu schreien. Keine Wörter, nur Laute, aber ich achtete nicht weiter darauf. Der Cowboy kam zu sich und sah erstaunt zu mir herauf. Ich hätte darauf gewettet, dass er gerade das erste Mal im Leben echten Schmerz empfand.
    »Zeig das lieber einem Arzt«, riet ich ihm.
    »Du hast ihn umgebracht!« Angie hatte die Sprache wiedergefunden, aber sie war nicht ganz auf dem Laufenden.
    »Er war kurz ohnmächtig, Angie, weiter nichts. Besorg ihm ein Pflaster oder so was.« Ich drehte mich um. Tino und Mamma waren auf der Veranda erschienen. »Tut mir leid wegen deiner Schere, Tino.«
    Er ließ seinen Blick schweifen und grinste verhalten. »Schon gut, Jason. Die kann man wieder saubermachen. Es war ja für einen guten Zweck.«
    Ich sah mich nach dem Jungen um. Er war noch im Haus. Ein bisschen zu spät wurde mir bewusst, dass ich besser die ganze Zeit an ihn hätte denken sollen.
    Tino bückte sich und half Angie, ihren Ritter Galahad auf die Füße zu hieven. »Na los, Schwester. Der Bursche braucht einen Arzt.« Sie humpelten zu dem Silverado und rollten kurz darauf aus der Auffahrt. Am Steuer saß Tino.
    »Tut mir leid, Mamma.« Ich schälte mich aus dem Laken und schüttelte es aus. Abgeschnittene Haare segelten zu Boden. »Ich muss weg.«
    »Sie ist mein Fleisch und Blut, Jason. Ich halte zu meiner Tochter, das weißt du, oder?«
    »Ja. Und ich verstehe dich.« Das tat ich tatsächlich. Ich mochte ganz weit weg sein, irgendwo im Wunderland oder in Oz oder Mittelerde, aber trotzdem gab es Regeln. Es wurde Zeit, dass ich nach New York City zurückkehrte. »Ich packe und fahre dann gleich. Es tut mir leid.«
    Nun kam auch Kid auf die Veranda. Er war immer nochmit seiner kleinen Vanilleeistüte beschäftigt. Still setzte er sich hin und begann seine Autos dicht an dicht zu einem Quadrat anzuordnen. Mamma stand da und sah ihm zu. Ihr Rücken war gebeugt; sie hatte zu viele Jahre hindurch gegen zu viele Dämonen angekämpft. Nie wieder habe ich so traurige, schmerzerfüllte Augen gesehen.
    Ich traf eine Entscheidung. Inzwischen habe ich sie viele Male hinterfragt, habe wieder und wieder darüber nachgedacht, aber ich bin immer zu demselben Schluss gekommen. Ich habe sie nie bereut.
    »Er kommt mit, Mamma. Ich nehme meinen Sohn zu mir. Mit nach New York. Ich will, dass er Hilfe bekommt.« Ich wusste selbst nicht, warum ich das alles sagte. Bis zu einem gewissen Grad war mir gar nicht bewusst, dass ich es war, der da sprach. Andererseits war ich ganz klar und entschieden.
    Sie sah mich lange an.
    »Du weißt nicht, wovon du redest, Junge. Angie hat recht. Du weißt es nicht.«
    »Vielleicht will ich es aber verstehen lernen, Mamma. Angie schafft es nicht, das wissen wir beide. Ob ich es schaffe, weiß ich noch nicht, aber ich will es versuchen. Das ist jetzt die beste Gelegenheit für ihn.«
    Ich suchte meine Sachen zusammen, packte eine Tasche für den Jungen und war schon ein paar Minuten später wieder unten.
    »He, mein Kleiner. Wir wollen jetzt deine Autos einpacken. Wir verreisen, du und ich.«
    »Kann nicht.« Er war weder wütend noch störrisch, er teilte mir einfach nur mit, dass er nicht weg könne.
    Mir entfuhr ein ungeduldiges Stöhnen. »So. Dann erzähl mir mal, warum du nicht kannst.«
    Er erwiderte das Stöhnen. »Baden«, sagte er, in einem Ton, als müsse er es einem Volltrottel erklären.
    Jahre waren vergangen, seit ich ihn das letzte Mal bei einem seiner sagenhaften Zusammenbrüche erlebt hatte – bei denen er in totalem Aufruhr war, kämpfte wie ein in die Enge getriebener Luchs, schrie, biss und kratzte, um seinen Willen durchzusetzen, und wenn es dabei nur um so etwas Unwichtiges ging wie die Frage, ob ihm die Eiscremespuren abgewaschen wurden, bevor er eine Reise antrat, oder nicht.
    Ich beugte mich zu ihm hinunter.
    »Das mit dem Baden

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