Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
er, weil einer, der zu schnell wäre und mich nicht sieht, mich leicht über den Haufen fahren könnte. Deshalb hat er mich am Arm genommen, nur um mich zurückzuhalten, und du weißt ja, ich bin empfindlich ...«
Wie Unkraut.
»... jedenfalls ist da die Speiche gebrochen.«
Ich hörte mir alles an. Ich empfand nichts dabei. War ich mit Angie schon so vollständig durch? So schnell? Eine Nacht – ein paar Stunden – mit Skeli hatte ausgereicht, um sieben Jahre hinter mir zu lassen. Ich hegte noch nicht einmal Groll gegen den Cowboy – so benahmen sich solche Typen nun mal. Allenfalls empfand ich einen gewissen Abscheu, Ekel beinahe, angesichts der Bilder, die sich mir aufdrängten – aber keinen unbändigen Zorn. Angie tat mir leid. Zwar hatte sie das Unheil förmlich gesucht, aber körperlich attackiert zu werden, das verdiente sie nicht. Sie hatte mir wehgetan, mich bestohlen, mich verlassen und wollte mir nun auch noch den Menschen nehmen, den ich am meisten auf der Welt liebte – und trotzdem hätte ich nie die Hand gegensie erhoben. Es irritierte mich, dass ich plötzlich, mitten in der Nacht, gezwungen war, mir das alles anzuhören und mich dazu zu verhalten. Vor allem aber spürte ich eine düstere Angst. Nie, unter keinen Umständen, durfte mein Sohn in diesen dreckigen Sumpf hineingezogen werden.
»Hör mal, Angie. Es tut mir leid, dass dir das passiert ist.« Ich gab mir Mühe, mitfühlend zu klingen. »Es tut mir leid, dass dein junger Cowboy dir wehgetan hat.«
»Hä? Ich hab’s dir doch gerade erzählt. Es war ein Unfall!« Entrüstung.
»Okay. Es tut mir leid, dass du einen Unfall hattest. Und ich bedaure, dass es so schwierig geworden ist mit uns.« Jetzt gestattete ich mir einen härteren Ton. »Aber ich kann daran nichts ändern. Und ich werde nie – niemals – zulassen, dass dieser Dreckskerl auch nur in die Nähe von meinem Sohn kommt. Du kannst den Jungen jederzeit besuchen. Aber das Arschloch lass zu Hause.«
»Ich hab’s dir gesagt, Jason. Ich will meinen Kleinen hier bei mir haben. Und ich tu dafür, was nötig ist.« Die Trunkenheit schien verflogen, jetzt kam die unverfälschte Bayou-Frau zum Vorschein. Ich fühlte einen Eisklumpen im Bauch. »Denkst du, irgendein Gericht in Louisiana würde zulassen, dass so ein Verbrecher aus New York kommt und ein kleines Kind von seiner Mutter wegholt? Ich habe meinen Anwalt gefragt, und er hat versprochen, dich auseinanderzunehmen. Damit kommst du nicht durch.«
Ich setzte mich auf und hieb mit der Faust gegen die Wand – so heftig, dass ich wusste, das würde ich nicht wieder tun.
»Solange unser Sohn in New York lebt, Angie, wird es ein New Yorker Gericht sein, das über seinen Fall entscheidet. Und dieses Gericht wird von deiner Trinkerei erfahren und davon, dass deine Mutter den Jungen in ein dunkles Zimmer gesperrt hat und dass dein Ehemann gewalttätig ist.«
»Verdammt, Jason! Ich will meinen Sohn! Gib mir mein Baby!«
»Nur über meine Leiche.« Mein Zorn verflog so schnell, wie er hochgekocht war. Was blieb, waren Abscheu angesichts dessen, was wir aus unserem Leben gemacht hatten – und ein scheußliches Unbehagen.
»Ich werde meinen Jungen kriegen.« Das war eine Drohung. Sie war entschlossen, es mit mir aufzunehmen.
»Ich sag jetzt gute Nacht, Angie. Ich lege gleich auf. Vielleicht reden wir noch mal darüber, wenn du nüchtern bist. Gute Nacht!«
Sie antwortete nicht.
Ich legte auf.
Scheiße. Gleich am Morgen musste ich meinen Anwalt erreichen. Anders, als ich tapfer behauptet hatte, traute ich den Gerichten nicht. Louisiana oder New York. Da war alles denkbar. Eher würde ich den Jungen nehmen und abhauen, als dass ich zusah, wie Angie ihn mitnahm nach Cajun-Country.
13
Montagmorgen. Spud und ich saßen wieder in unserem Besprechungszimmer – Gerüchte kursierten, Aktienkurse brachen ein, die Leute im Handelsraum waren bleich und hohläugig wie die Überlebenden eines Erdbebens. Spud sah nicht viel besser aus. Auch ich passte nach den paar Stunden unruhigen Schlafs gut hinein. Zombiezentrale.
Von dem Augenblick an, als ich mit Kid hinaus auf die 74. Straße getreten war, bis zu dem Moment, da ich den streng bewachten Eingang von Weld Securities passierte, hatte ich mich verfolgt gefühlt. An Straßenecken, in U-Bahn-Stationen, in Hauseingänge geduckt – überall hatten sich am Rande meines Gesichtsfelds die beiden Männer vom Vorabend materialisiert, nur um sich, sobald ich näher kam, in harmlose New Yorker
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