Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
richtig auf dem Kissen lag. Ich dagegen fand keine Ruhe. Sobald ich mich hinlegte, spannte sich mein ganzer Körper an, und meine Gedanken rasten im Flugmodus dahin.
Die Wohnungstür war verschlossen – das wusste ich, weil ich schon dreimal aufgestanden war und mich vergewissert hatte. Das dritte Mal, weil ich mir einredete, dass ich es die beiden Male davor nur geträumt hatte. Jedes Mal, wenn ich aufstand und das Wohnzimmer durchquerte, wünschte ich, ich könnte meine Finger flattern lassen und so meiner Ängste Herr werden. Die Fenster zum Broadway zogen mich unwiderstehlich an. Immer wieder ging ich hin und starrte hinunter auf die nahezu menschenleeren Straßen, und je erschöpfter ich war, desto weniger konnte ich mich konzentrieren. Dann zwang ich mich zurück aufs Bett, nur um das Ganze von vorn zu beginnen.
233 000 Dollar. Die Chips. Von dem Moment an, als ich in diese schwarze Sporttasche geschaut und mich einmal mehr der Illusion hingegeben hatte, dass es Geld gab, das einem einfach so zuflog, hatte sich meine Welt zusehends verändert. Angie drohte mit Anwälten und anderem Ungemach, um sich den Jungen zu holen. Das FBI verfolgte – nein, jagte – mich auf offener Straße. Von dieser Sorte Leute mussteich mich unbedingt fernhalten, davon hing der Fortbestand meiner Freiheit ab. Und von mir, das glaubte ich aus tiefstem Herzen, hing die Zukunft des Jungen ab – davon, dass ich da war und ihn vor Angie bewahren konnte. Das alles war in Gefahr.
Andererseits konnten die FBIler von den Chips nichts wissen – sonst hätten sie sich doch nicht die Mühe gemacht, mich zu verfolgen. Hätten sie etwas gewusst, hätten sie nur mit einem Durchsuchungsbefehl an meiner Tür zu klingeln brauchen. Was immer noch geschehen konnte.
Überrascht registrierte ich irgendwann, dass die Morgendämmerung eingesetzt hatte. So geht es mir immer. Vielleicht hatte ich geträumt, aber ich war trotzdem wach – auf den Beinen, auf der Hut.
Es war eine unglaubliche Erleichterung, die Nacht überstanden zu haben, ohne dass Schläger mit kantigem Kinn, grauem Anzug und glänzender Dienstmarke in meine Wohnung eingedrungen waren. Das blassrosa Licht, das eben die obersten Stockwerke des Trump-Wolkenkratzers unten am Fluss erreichte, beruhigte mich.
Ich sah auf die Uhr, aber meine Augen waren zu müde, um genau hinzuschauen. Das Bett lockte, doch es war viel zu weit weg. Ich schaffte es bis zur Couch und sank in die Besinnungslosigkeit.
16
Ein 1970er El Camino fuhr langsam über mein Gesicht, gefolgt von einem 65er Shelby Mustang GT. Dem mit dem Fließheck. Sie fielen vom Kinn und rollten weiter über den Brustkorb zum Bauch, wo sie eine rasante Kehre machten und wieder in Richtung Lider durchstarteten.
»Guten Morgen, Kid.«
»Hmmmm«, summten die kleinen Motoren.
»Wie wär’s mit Frühstück?«
Direkt unter meinem Kinn kamen die Autos zum Stehen.
Dienstag. Sein rotes Hemd. Irgendwelche kalten Körner in neutraler Farbe – Cornflakes oder eins der Kindermüslis. Ich schaute zum Fenster. Die Sonne stand schon hoch am Himmel. Reichlich spät für die Schule.
Allmählich kamen mir die Schatten der vergangenen Tage wieder zu Bewusstsein und drohten die morgendliche Routine zu stören. Angie. Das FBI. Der junge Mann, der lieber vor einen Zug gesprungen war, als mit mir zu reden. Und das USPS-Paket voll Casino-Chips, das vielleicht schon in der Postannahmestelle des Ansonia stand. Einen Moment lang schloss ich die Augen.
Als ich sie wieder öffnete, starrte ein eisblaues Augenpaar mich an. Schöne Augen, aber ausdruckslos, undurchsichtig. Sie verrieten nichts. Wie die Augen einer Katze.
»Frühstück«, sagte Kid.
»Geht gleich los.« Ich rappelte mich auf.
Zuerst das Essen. Meinen Anwalt erwischen. Kurze Absprache mit Spud. Das Kind in die Schule bringen. Ich fuhr mir über die Wange. An irgendeiner Stelle musste noch Zeit zum Duschen und Rasieren sein. Die Schatten wichen zurück, weggedrängt von den notwendigen alltäglichen Verrichtungen. Ein Schritt nach dem anderen.
Der Anwalt rief schließlich zurück, als ich gerade in der Dusche war. Während ich ihn auf den neuesten Stand brachte, bildete sich zu meinen Füßen eine Wasserpfütze.
»Sie trinkt noch?«
Die Reihen formierten sich.
»Ja.«
»Okay, das ist ein Glück. Hören Sie, Jason, es steht alles in Ihrem Scheidungsvertrag. ›Gemeinsames Sorgerecht‹, und kein Elternteil darf ohne die ausdrückliche schriftliche Einwilligung des anderen das Kind in
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