Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
einen anderen Staat bringen. So habe ich es formuliert, das weiß ich. Streng genommen war sie diejenige, die vor zwei Jahren das Kind entführt hat.«
»Eins a, verdammt!« Das Recht auf meiner Seite zu haben war eine ganz neue Erfahrung für mich.
»Aber egal«, fuhr er fort und machte sie gleich wieder zunichte, »ich würde in dieser Sache nicht gern prozessieren. Wenn man es erst mal mit einem Familiengericht zu tun hat, ist alles möglich.«
»Was kann ich also tun?«
»Nichts. Ich kümmere mich darum. Sie versuchen vor allem, Ihre Entlassungsauflagen nicht zu verletzen.«
»Keine Kurztrips auf die Bermudas?«
»Ich bitte darum. Noch nicht mal nach New Jersey.«
Spud rief ich an, während ich mich rasierte. Er war extrem aufgekratzt. »Große Neuigkeiten. Haben Sie’s gesehen?«
Ich hatte noch nicht mal die Schlagzeilen gelesen.
»Was ist los?«
»Auf CNBC sind wir das Hauptthema. Schauen Sie gar nicht?«
»Ich habe keinen Fernseher.« Kids Arzt hatte angeordnet, dass ich das Teil abschaffte.
»Ehrlich?!?«
Ich schaltete das Radio ein. Auch bei Bloomberg News war Weld Securities das Topthema.
Die Firma hatte der Übernahme durch eine große lokale Bank mit Hauptsitz in Nashville zugestimmt. Die Experten jubelten. Weld würde auf diese Weise günstig an Kapital kommen, und die neue, große Firma würde im Handumdrehen in die höheren Gefilde der Finanzwelt aufsteigen. Als Drahtzieher des Deals wurde Stockman genannt. Die Journalisten versicherten, er werde in dem fusionierten Unternehmen eine wichtige Rolle spielen.
Das Einzige, was die Sache noch verderben könnte, dachte ich unwillkürlich, wäre ein Skandal wegen diverser unsauberer Trades.
»Hier spielen alle verrückt«, sagte Spud.
Ich fragte ihn, ob er sich verfolgt gefühlt habe oder ob irgendwer in Bezug auf unsere Untersuchung neugierig gewesen sei.
»Mann! Sie jagen mir Angst ein.«
Er solle sich unauffällig verhalten, sagte ich; wir würden später reden.
Selbst Gwendolyn klang begeistert – jedenfalls so, wie Begeisterung sich im 38. Stock anhörte.
»Oh, Mr. Stafford, schön, dass Sie anrufen! Mr. Stockman hat schon gesagt, ich soll Ihnen Bescheid geben. Er wird die nächsten zwei, drei Tage sehr beschäftigt sein, würde aber gern heute Nachmittag mit Ihnen sprechen. Ich hoffe, das ist kein Problem.«
»Ich bin da«, sagte ich.
Alysha Carter war nicht ganz so beängstigend wie zwei Anzugmänner, die uns durch dunkle Straßen verfolgten, aber sie kam dicht danach. Die Frau am Empfang in Kids Schule war eins achtzig groß und mit Sicherheit schwerer als die FBI-Männer. Alle beide. Zusammen.
»Routine, Mr. Stafford! Das ist das Erste, was wir diesen Kindern beibringen müssen. Sie brauchen das.«
»Ja, Ma’am.«
Sie starrte mich an. Ich hatte sie unterbrochen.
»Entschuldigung«, murmelte ich.
Ihr Tisch beherrschte den Eingangsbereich; niemand – kein Kind, kein Erwachsener – wäre ungesehen an ihr vorbeigekommen. Sie war der Drache, der das Tor bewachte. Ich wünschte, ich hätte einen Zaubertrank dabei oder ein magisches Schwert.
»Dass Sie immer hereinschneien, wann es Ihnen gerade passt, das geht einfach nicht. Mit diesem Verhalten untergraben Sie die gesamte Autorität der Schule, nicht zu reden von dem Schaden, den Sie Ihrem eigenen Kind zufügen.«
Soweit ich es mitbekommen hatte, war uns niemand zur Schule gefolgt, hatte kein FBI-Mann vor dem Haus gestanden und auf uns gewartet.
»Ms. Carter ...«
»Mrs., bitte! Ich bin verheiratet, und darauf bin ich auch stolz.«
Mein Mitgefühl galt Mr. Carter.
»Mrs. Carter. Ich bin alleinerziehend und bemühe mich, meine Sache trotz aller Widrigkeiten gut zu machen. Sehr gern würde ich versprechen, dass das nicht wieder vorkommt, aber das kann ich nicht. Vielmehr kann ich ziemlich sicher vorhersagen, dass es wieder vorkommen wird. DasEinzige, was ich garantieren kann, ist, dass ich jedes Mal ein schlechtes Gewissen haben werde. Tragen Sie ihn jetzt bitte ein?«
Ich fand diese Ansprache – wenn man bedachte, dass ich nur zwei Stunden geschlafen hatte – durchaus gelungen.
Mrs. Carter aber sah mich an, als könnte sie mich jeden Moment ohrfeigen. Doch dann entschied sie sich für die herablassende Tour.
»Ihr Sohn hat extremes Glück, dass er überhaupt hier sein kann, Mr. Stafford. Er ist nur deshalb so spät noch aufgenommen worden, weil Familie Yoshida nach Japan zurück musste.«
Nicht nur deshalb. Da war auch noch der Umstand, dass ich in der Lage
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