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Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Sears
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den Mann mit einer Hand bei der Nase und mit der anderen beim Ohr, legte den Kopf zurück, um Schwung zu holen, und hieb dem Mann seine spitzen kleinen Zähne ins Gesicht.
    Der kreischte wie ein Mädchen und ließ ihn fallen. Kaum berührten seine Füße den Boden, rannte Kid los, direkt auf den Broadway zu.
    »O Gott«, sagte der Ältere. Sein Griff lockerte sich nur minimal, aber das reichte – sofort war ich auch weg.
    Der Junge jagte zwischen zwei parkenden Wagen hindurch auf die Straße. Ich verlor Zeit, indem ich den gleichenhaken schlug. Hinter mir hörte ich die schweren Schritte der Anzugmänner, die sich an meine Fersen hefteten. Ich wurde schneller und kam immer näher an den Jungen heran.
    Fast hätte ich ihn gehabt. Mir fehlten anderthalb Schritte, da wandte er sich zur Seite und lief hinaus auf die Fahrbahn. Ohne nachzudenken, schrie ich ihm hinterher: » Nein! Böser Junge!« Zwei Taxis kamen angerast, offensichtlich darauf aus, an der Ecke West End Avenue noch bei Grün durchzukommen.
    »Nein!« , schrie ich wieder und konnte mich gerade noch zurückhalten, sonst wäre ich ihnen direkt vor die Räder gekommen.
    Der erste Fahrer sah den Jungen und bremste scharf – der zweite hinter ihm war darauf nicht vorbereitet. Heftiges Reifenquietschen mündete in den Rums, mit dem eine Stoßstange bei hoher Geschwindigkeit auf eine andere prallte.
    Kid war weg. Die Anzugmänner kamen immer näher. Ich duckte mich zwischen parkende Wagen und bewegte mich auf die geschwungene Auffahrt des Ansonia zu. Kid war direkt vor mir, auf dem Weg zur Tür. Er würde zumindest so lange stehen bleiben müssen, wie er brauchte, um sich seinen Weg über die schwarzen und weißen Bodenfliesen der Lobby zurechtzulegen – ich würde ihn kriegen.
    Doch er überraschte mich schon wieder. Er machte kehrt und rannte weiter, an der Auffahrt vorbei, weiter in Richtung West End Avenue. Ich legte noch einen Schritt zu. Kid war flink und wendig, vor allem aber hatte er das Durchhaltevermögen eines Fünfjährigen – eines manischen Fünfjährigen, der in größter Angst weglief –, trotzdem würde ich wohl in der Lage sein, ihn auf einer langen, geraden Strecke einzuholen.
    Der Durchgang hinter dem Ansonia führt hinunter zu einer Tiefgarage und von dort weiter zur 74. Straße, wo eswieder nach oben geht. Wenn man nicht weiß, dass es diese Einfahrt gibt, verpasst man sie. Kid fand sie. Er raste den steilen Abhang hinunter, wandte sich, unten angekommen, nach rechts und verschwand in der Garage.
    Ich war direkt hinter ihm. Bevor ich ins Innere trat, drehte ich mich noch einmal um. Noch waren die Anzugmänner nicht bei dem Durchgang angelangt. Es sah gut aus für Kid und mich.
    Drinnen blieb ich gleich hinter der Tür stehen und lauschte. Nichts. Keine Schritte. Kid hatte sich offenbar irgendwo niedergelassen. Ich schaute mich um. Auch der Parkwächter war nirgends zu sehen.
    »Kid!« Ich versuchte, leise zu sein und mich trotzdem bemerkbar zu machen. Keine Antwort.
    Wenn die Anzugmänner erst mal wussten, wo wir uns verbargen, hatten sie uns. Einer konnte den Eingang überwachen, der andere den Aufzug. Es reizte mich überhaupt nicht, den beiden in dieser dunklen, verlassenen Sackgasse zu begegnen.
    Ich hastete zwischen Reihen teurer ausländischer Autos, riesiger Geländewagen und schnittiger Sportwagen hindurch und flüsterte immer wieder flehentlich: »Kid! Kid!« Am Ende der hintersten Reihe stand, bewacht durch eine Phalanx orangefarbener Sicherheitskegel, ein silberner Rolls-Royce Phantom. Direkt daneben hüpfte mein Sohn auf und ab in dem Bemühen, so hoch zu kommen, dass er ins Innere des Wagens spähen konnte.
    Als er mich entdeckte, grinste er wie eine Kürbislaterne, warf die Arme hoch und bettelte: »Hoch! Hoch! Ich nehm dich hoch!«
    Ich hatte Sorge, dass er, wenn ich ihm das ausschlug, wieder anfing zu toben, was die Anzugmänner schnell auf unsere Spur bringen würde.
    »Gut. Okay. Aber wir müssen ganz leise sein. Schaffst du das?«
    Er nickte so vehement, dass ich fürchtete, sein Kopf könnte wegfliegen.
    »Gut. Psst!« Ich nahm ihn hoch und ließ ihn in den Wagen schauen. »Aber wenn Jason sagt, wir müssen uns verstecken, heißt es schnell runtergehen und leise sein, okay?«
    Wenn ich ein Spiel daraus machte, zog er vielleicht mit, und ich konnte ihn dazu bringen, zum Aufzug hinüberzuflitzen. Während er auf meinem Arm herumzappelte, schaute ich immer wieder zum Eingang.
    Dann hörte ich Schritte näher kommen.

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