Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
gewesen war, die Schulgebühr für das ganze Jahr im Voraus zu zahlen und das Stiftungsvermögen um einen stattlichen Betrag aufzustocken.
»Die Yoshidas sind nie zu spät gekommen.«
Ich hielt den Mund und tat mein Bestes, zerknirscht auszusehen.
Kid und ich schnupperten Hände, dann war ich weg.
Ich ging wieder zum Broadway, um mit der U-Bahn zurück zum Ansonia zu fahren – eine Station mit dem Express Train. Weder an den Drehkreuzen noch auf dem Bahnsteig lungerte jemand herum, der mich hätte beobachten können. Niemand jagte mich.
Skeli hatte den ganzen Tag Unterricht, war also nicht zu erreichen. Nach wie vor war ich unsicher, ob das am Abend zuvor ein Gute-Nacht- oder ein Abschiedskuss gewesen war. Ich ermahnte mich, ihr keine Blumen zu schicken.
Während der nächsten paar Stunden musste ich auf niemanden reagieren, musste für niemanden da sein. Allein. Das Gefühl, frei zu sein – nur für kurze Zeit, aber vollkommen –, machte mir auch ein bisschen Angst. Es war nochzu neu, als dass ich mich einfach so darüber hätte freuen können.
Zum wiederholten Mal dachte ich darüber nach, was ich mit den Chips im Wert von 233 000 Dollar, die vielleicht schon im Ansonia abgegeben worden waren, anfangen sollte. Diesem Problem konnte ich mich jetzt einen Tag lang widmen.
Sie warteten in der Lobby.
Als Erster kam der Sportliche auf mich zu und hielt ein Ledermäppchen mit Dienstmarke hoch. »Fangen wir noch mal von vorn an, Mr. Stafford? Ich bin Senior Agent Ted Maloney. FBI. Das ist Agent Marcus Brady.«
Ich saß in der Falle. Außer den Angestellten hielten sich nur zwei Leute in der Lobby auf. Von denen würde mir keiner helfen. Der Gedanke, dass meine Nachbarn beobachteten, wie ich von zwei Typen mit Dienstmarken am Arm genommen und weggeführt wurde, gefiel mir überhaupt nicht.
Maloney wies in Richtung Aufzug. »Wenn Sie uns nach oben einladen, kriegt niemand etwas von unserem Gespräch mit.«
Er stand auf einer schwarzen Fliese. Ich wünschte, sie möge ihn schlucken und in einer anderen Welt wieder ausspucken, in der das Tragen einer Dienstmarke ein Grund war, verhaftet zu werden.
»Brauche ich einen Anwalt?«
Maloney lächelte schmallippig. »Warum sollten Sie einen Anwalt brauchen?«
»Warum verfolgen Sie mich? Jagen mich? Greifen meinen Sohn an?«
»Warum laufen Sie weg?«, mischte sich der andere ein und grinste hämisch. Er hatte einen hässlichen hufeisenförmigenblauen Fleck auf der Wange. Da hatte der Junge einen Punkt für uns gutgemacht.
Maloney hob die Hände, um eine Auszeit zu bewirken. »Wir wollen Ihnen nur ein paar Fragen stellen. Dann sind wir wieder weg.« Die Rollen des guten und des bösen Bullen waren verteilt.
Raoul, der Portier, versuchte, nicht zu lauschen. Er gab sich wirklich Mühe.
»Gehen wir nach oben«, kapitulierte ich.
Kaum hatten sich die Aufzugtüren geschlossen, wandte ich mich an Maloney.
»Sie haben meinem Sohn eine Scheißangst eingejagt.«
Hätten sie irgendwas gegen mich in der Hand gehabt, hätten sie schon längst die Handschellen gezückt. Ich konnte es mir leisten, ein bisschen herumzutönen.
Maloney machte eine beschwichtigende Geste. »Bitte. Können wir wieder auf den Teppich kommen? Ich entschuldige mich in aller Form dafür, dass wir Ihren Sohn – und Sie – erschreckt haben. Das war ein Fehler. Hätte nicht passieren dürfen.«
Brady starrte mich nur an. Ich starrte zurück.
Ich hätte sagen können, sie sollten die Fliege machen. Das wäre schlau gewesen. Aber gegen mich bestand kein Verdacht. Ich war sauber. Ich wollte hören, was sie zu sagen hatten. Warum war das FBI so scharf darauf, mit mir zu reden, dass sie zwei Leute darauf angesetzt hatten, mir durch ganz Brooklyn und bis zur Upper West Side zu folgen?
Maloney machte es sich am Küchentisch bequem. Ich setzte mich ihm gegenüber. Brady tigerte durchs Wohnzimmer, spähte ins Schlafzimmer und blieb immer wieder stehen, um sich einzelne Gegenstände genauer anzuschauen. Unter anderem sah er den Stapel Autismus-Bücher auf der Anrichte durch.
»Hm«, grunzte er. Dann hielt er Autism: 20 Case Histories hoch. »Ist es das, was mit Ihrem Sohn los ist?«
»Mit meinem Sohn ist nichts los«, erwiderte ich. Leute, die diese Frage stellten, verabscheute ich. »Im Übrigen: ja, er ist autistisch. Ist es das, weshalb Sie hier sind?«
»Setz dich, Marcus«, ordnete Maloney an. »Kann ich anfangen?« Er tat es einfach. »Mr. Stafford, wir brauchen Ihre Hilfe, und wenn Sie das
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