Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Fuß des träumenden Berges

Am Fuß des träumenden Berges

Titel: Am Fuß des träumenden Berges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
Vom Netzwerk:
Kontobücher. Es war gestern spät geworden; Timothy Ricket hatte viel zu erzählen gehabt. Er versuchte, ihr die grausamen Details zu ersparen. Aber man konnte wohl nicht in dieser Zeit leben, ohne mit den Gräuel in Berührung zu kommen, die dieser Krieg bereithielt.
    Erst war es wie das Rauschen des Windes in den Bäumen, ein silbriges Rascheln. Dann sah sie Kinyua aus dem Wald treten. Er trabte entspannt über die Rasenfläche, als habe er nicht in den letzten Wochen Hunderte von Meilen zu Fuß zurückgelegt.
    «Memsahib.» Er verlangsamte seine Schritte und blieb vor der Veranda stehen.
    «Du bist zurück, Kinyua.» Sie lächelte. «Das ist gut.»
    Und es war wirklich gut. Sie konnte Timothy nach Nairobi begleiten und Matthew heimholen.
    Und dann konnte sie endlich gemeinsam mit ihrem Mann trauern.
    Sie klopfte einladend neben sich auf die Verandastufe. «Setz dich zu mir.»
    Kinyua kam. Sein Gesicht war verschwitzt, und er atmete schwer. Audrey rief Kamau, damit er Wasser und das Frühstück brachte. Leise und stockend begann Kinyua zu berichten. Er wirkte sehr betrübt, weil er Matthew nicht angetroffen hatte. Audrey legte ihm tröstend die Hand auf den Arm. «Er ist in Nairobi», beruhigte sie ihn. «Er kam kurz danach ins Camp und ist sofort losgeritten. Und jetzt ist er in Nairobi.»
    Kinyua entzog sich ihrer Hand nicht, und sie ließ sie einfach dort liegen. Es tat gut, endlich wieder einem Mensch nahe zu sein, nicht ständig auf der Hut sein zu müssen. «Dann bleibt er dort?», fragte Kinyua.
    «Nein. Ich werde ihn holen. Darum ist es gut, dass du zurück bist.»
    Die Fliegengittertür hinter ihnen öffnete sich. «Guten Morgen, Audrey.»
    Sie fuhr herum. Timothy Ricket stand in der Tür, den Hut in der Hand. Sein Blick, der sonst so leutselig war, wirkte plötzlich … finster. Er galt nicht ihr, sondern Kinyua, der so dicht neben ihr saß. Audrey zog die Hand zurück, als habe sie sich an Kinyuas Haut verbrannt.
    «Guten Morgen!», zwitscherte sie fröhlich. Es klang so entsetzlich falsch in ihren Ohren. «Sehen Sie nur, Kinyua ist zurück. Sobald Sie so weit sind, kann ich mit Ihnen nach Nairobi.»
    «So, ja.» Timothy rieb sich den Nacken. «Dann ist ja alles gut.»
    Er ließ sich in den Korbsessel fallen und wartete. Kamau kam und deckte stumm den Tisch für vier. Nur das dezente Klappern war zu hören.
    Kinyua stand auf. «Ich gehe ins Dorf. Später kannst du mir sagen, wie es auf der Plantage geht, Memsahib», sagte er, für seine Verhältnisse erstaunlich still und zurückhaltend.
    «Das tu nur.» Audrey verschränkte die Arme und umfasste ihre Ellbogen, als sei ihr kalt. «Ich danke dir, Kinyua. Für alles.»
    Er nickte und ging. Kamau schaute kurz hoch und räumte dann ebenso leise das vierte Gedeck wieder weg. Timothy beobachtete den Vorgang finster. Erst nachdem Kamau verschwunden war, schaute er sie an.
    «So ist das also», sagte er.
    «Ich frage Fanny, ob sie mit uns frühstücken will.» Audrey betrat das Haus und versuchte, tief durchzuatmen, doch irgendwie war da ein Schmerz tief in ihrer Brust, gegen den sie nicht ankam.
    So ist das also, hatte Ricket gesagt. Als hätte er etwas gesehen, das nicht da war. Etwas, das nur sie spürte, nur sie bewahrte. Das Flattern ihres Herzens, als sie an diesem Morgen Kinyua gesehen hatte. Die Erleichterung, weil ihm nichts passiert war.
    Sie hatte bis zu diesem Moment geglaubt, es sei nur ihre Sorge um Matthew, die sie umtrieb. Aber das war nur die halbe Wahrheit. Auch um Kinyua hatte sie sich gesorgt, und zwar mehr, als es für die Dienstherrin eines schwarzen Mannes schicklich war.
    Sie wollte nicht darüber nachdenken, was das bedeutete. Sie wollte nur so schnell wie möglich nach Nairobi und sich an Matthew festhalten. Er würde es verstehen – ihren Schmerz und die Trauer, die ihr diese verrückten Gedanken einflüsterten.
    Fanny hatte keine Lust, mit Timothy und Audrey zu frühstücken. Sie lag noch im Bett, mit dem Gesicht zur Wand und einem so weinerlichen Unterton in der Stimme, dass Audrey sie am liebsten geschüttelt hätte. «Lass mich in Ruhe, ich mag nicht.»
    Das war der Moment, in dem ihr der Geduldsfaden riss.
    «Ich mag auch nicht», erwiderte Audrey scharf. «Weißt du, Fanny, ich steh auch ungern am nächsten Tag auf. Jeden Morgen ist es eine Qual. Ich wache auf, und während ich noch im Bett liege, ist alles in schönster Ordnung. Meine Söhne liegen im Kinderzimmer in ihren Bettchen und schlafen, und mein Mann ist früh raus,

Weitere Kostenlose Bücher