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Am Fuß des träumenden Berges

Am Fuß des träumenden Berges

Titel: Am Fuß des träumenden Berges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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es ertragen, weil sie nichts Besseres zu erwarten hatte vom Leben.
    Das hatte sie sich selbst zuzuschreiben.
    Außerdem war sie diejenige, die Matthew von Anfang an belog und betrog, indem sie ihm die Wahrheit verschwieg.
    «Ich möchte nur nicht, dass du später enttäuscht bist, Kind! Er nimmt dich trotz deines Makels. Macht dich das nicht misstrauisch?»
    Audreys Hände zitterten. Trotzdem versuchte sie, ganz ruhig zu antworten. «Bist du vielleicht schon auf die Idee gekommen, dass er mich einfach so sehr mag, dass ihm meine Vergangenheit egal ist?», fragte sie. Ihre Stimme zitterte, und sie musste schwer an den Tränen schlucken, die sich in die Augenwinkel stehlen wollten.
    Dies war ihre einzige Chance, dem Elternhaus zu entkommen. Und um nichts in der Welt wollte sie diese Chance verspielen.
    Ihre Mutter schwieg lange. Schließlich stand sie auf, räumte den Stapel mit Leibwäsche in den Schrankkoffer und verließ ohne ein Wort das Zimmer.
    Er wusste noch, wie es damals gewesen war, als die Weißen nicht hier lebten – damals, als er ein Junge war, später ein junger Mann, der das erste Mal mit seinen Stammesgefährten auszog.
    Die Massai, die jenseits des Waldgürtels umherzogen, hatten in der Nacht ihre Krieger ausgeschickt und drei Ziegen gestohlen. Und Kinyua und seine Gefährten wollten diese Ziegen zurückhaben.
    Kinyua war der jüngste. Er hatte sich lange gedulden müssen, ehe die anderen Krieger ihn im letzten Mondlauf in ihre Mitte aufgenommen hatten. Er war einer von ihnen, und dies war seine Bewährungsprobe.
    Sie ließen ihm den Vortritt. Ngengi, der älteste, hatte schon zwanzig große Regenzeiten in seinem Leben erlebt, und Kinyua wusste, ein Jahr hatte es gegeben, da war die große Regenzeit gar nicht gekommen. Er war also einundzwanzig.
    Kinyua hatte dieses Jahr ohne Regen auch erlebt. Es wäre seine siebte Regenzeit gewesen. In diesem Jahr waren viele gestorben, weil das Dorf nicht genug hatte ernten können. Es war schwer gewesen, für alle.
    Zwei kleinere Geschwister hatte Kinyua verloren, und der Säugling, der an der Brust seiner Mutter hing in jenem Jahr, hatte geweint und geweint, weil sie ihm nichts hatte geben können. Gestorben war er später als die meisten, aber gestorben war auch er.
    Es gab viele Wege, den Tod zu finden, selbst wenn man ihn nicht suchte.
    Er wusste, wie gefährlich es war, was sie hier taten. Dass sie den Tod herausforderten, wenn sie sich mit den Massai anlegten. Die Massai waren große Krieger, und manchmal sprach sich der Ältestenrat des Dorfs dagegen aus, sich mit ihnen anzulegen. Es gab immerhin den Wald zwischen ihren Feldern und der Savanne. Wegen der Massai zäunten sie die Rinder ein und holten die Ziegen nachts in ihre Hütten.
    Die Massai waren Diebe. Sie liebten Vieh, doch stahlen sie es nur, um es ausbluten zu lassen, das Herz zu vertilgen und sich an ihrer eigenen Tapferkeit zu berauschen. Sie hatten genug eigenes Vieh. Ihnen ging es bestimmt nicht um die drei Ziegen oder um die Mutterkuh, die sie vor einem Mondlauf einfach fortgetrieben hatten. Sie wollten den Kikuyu etwas nehmen, ohne etwas zurückzugeben.
    Sie waren schlechte Menschen.
    Und deshalb waren die jungen Jäger heute Nacht aufgebrochen. Weil sie den Massai etwas nehmen wollten. Aber sie wollten nicht die drei Ziegen holen oder eine Kuh. Ihnen ging es nicht ums Vieh.
    Die Frauen der Massai waren wunderschöne, stolze Geschöpfe. Und eine von ihnen wollten sie in dieser Nacht rauben. Als Ausgleich für die Ziegen und die Kühe und für die Schmach.
    Sie holten eine Frau für Ngengi, der erst eine hatte. Die zweite war gestorben, vor zwei Mondläufen hatte sie ihm einen toten Sohn geboren und war ebenfalls in die nächste Welt gewechselt. Und eine einzige Frau war für einen jungen Krieger wie ihn einfach zu wenig.
    Die Massai bewachten ihr Vieh gut, auch nachts. Als die Kikuyu sich näherten, sahen sie fünf oder sechs dunkle Gestalten, die sich am Rand der Fläche aufhielten, auf der sie die Kühe für die Nacht zusammengetrieben hatten. Vielleicht waren es noch mehr. Sie verschmolzen mit der Dunkelheit und rührten sich nicht. Kinyua wusste, dass sie die Augen geschlossen hielten und sich allein auf ihr Gehör verließen.
    Die Massai fürchteten die Löwen, die ihr Vieh rissen.
    Jeder fürchtete die Löwen.
    Ngengi gab Kinyua ein Zeichen. Sie machten einen großen Bogen um das Vieh, das in den Zäunen aus Dornengestrüpp eingepfercht war.
    Die Massai waren nicht sesshaft. Und hier,

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