Am Fuß des träumenden Berges
Sicherheit als Mätresse aushalten zu lassen, bis der Mann ihrer überdrüssig wurde.
Bis sie das entdeckte, was Fanny beseelte.
Die Liebe zu ihm.
Als sie an Deck kamen, standen Tante Rose und Onkel Reggie in einiger Entfernung mit Jack an der Reling. Gerade ließ Onkel Reggie sich ausführlich über den Sternenhimmel auf Äquatorhöhe aus. Jack nickte geduldig, doch er drehte sich sofort um, als er Fannys Gegenwart spürte.
Und er lächelte. Ganz anders als vorhin bei Tisch. Ganz weich.
Und auch Fanny veränderte sich. Als fiele jede Spannung von ihr ab. Sie warf Audrey einen entschuldigenden Blick zu und ging auf Jack zu. Und er eilte ihr entgegen.
Auf halber Strecke trafen sie sich. Zögerten, als könnten sie nicht glauben, dass ihnen diese Minuten vergönnt waren. Jack streckte die Hand aus, und Fannys Finger berührten seine. Kein Kuss, keine dramatische Umarmung, nur diese zarte Berührung. Und in dieser Berührung lag alles, was Audrey über die Liebe wissen musste.
Wird es so sein, wenn Matthew und ich uns gegenüberstehen? Wird die Welt für uns innehalten, werden wir sofort wissen, dass wir zueinander gehören?
Oder werden wir um unsere Liebe kämpfen müssen, wie alle Eheleute, bei denen dieses höchste der Gefühle sich erst im Laufe der Jahre einstellt?
Audrey schluckte schwer.
Vielleicht kam es ja auch ganz anders. Vielleicht war Matthew ein Monster, ein Ungeheuer. Einer, der seine Frau verprügelte, der nur nach außen so perfekt schien.
Sie würde alles ertragen, solange er ihr nur ein Zuhause gab.
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7 . Kapitel
Mombasa war noch lauter, farbenfroher, elender und üppiger, noch intensiver, trostloser und abenteuerlicher als all die anderen Häfen, die sie unterwegs angelaufen hatten.
Staunend stand Audrey auf dem Oberdeck und beobachtete, wie der Dampfer vertäut wurde. Planken wurden in den Schiffsrumpf geschoben, und ameisengleich verschwanden die Hafenarbeiter im Innern des Schiffs. Ihre dunkle Haut glänzte vor Schweiß, und ihre schmuddeligen, hellen Hosen klebten ihnen an der Haut. Ihre Oberkörper waren ebenso nackt wie die Füße, und Audrey wandte beschämt den Blick ab.
Aber vermutlich sollte sie sich lieber an den Anblick gewöhnen. Die Wilden schienen hier alle so herumzulaufen.
Dann siegte die Neugier. Sie beobachtete fasziniert, wie die Arbeiter auf der schmalen Planke einander behände auswichen. Die Lasten und Kisten auf ihren Köpfen und den gekrümmten Rücken schienen nichts zu wiegen, und sie lachten und scherzten ausgelassen, bis ein weißer Mann mit Schlapphut und finsterem Gesichtsausdruck etwas über den Kai bellte. Die Arbeiter zogen die Köpfe ein und arbeiteten noch schneller.
«Komm, meine Liebe. Es ist Zeit, uns zu verabschieden.» Tante Rose war verschnupft, und das im doppelten Sinne. Noch gestern Abend hatte sie Audrey Vorwürfe gemacht, weil sie sich als «Kupplerin» betätigt hatte. Audrey hatte nicht widersprochen. Sie wusste, dass das, was sie getan hatte, falsch war. Aber sie hatte nicht anders gekonnt. Zu sehr hatte Fannys Schicksal sie berührt.
Von Alva Lindström hatte sie sich schon vor dem Frühstück verabschiedet. Die alte Dame war wieder verschwunden – wo auch immer sie sich tagsüber herumtrieb. Onkel Reggie wusste es vermutlich.
Fanny wartete auf dem Achterdeck. Dort, wo sie sich das erste Mal begegnet waren, stand sie auch jetzt. Wieder ganz in Schwarz und mit dem schwarzen Sonnenschirm.
Die beiden Frauen umarmten sich zum Abschied. «Werden wir uns wiedersehen?», fragte Audrey.
Fanny lachte. Sie kniff Audrey in die Wange, als sei nicht sie die um ein Jahr Jüngere. «Aber ganz bestimmt! Ich schreib dir.» Ehe Audrey gehen konnte, rief sie: «Wird er hier sein?»
Sie drehte sich überrascht um. «Wer?»
«Na, dein Zukünftiger. Matthew. Wird er hier in Mombasa auf dich warten?»
Audrey schüttelte den Kopf. «Ich glaube nicht», antwortete sie. Danach hatte sie ihn nie gefragt. Und auch Tante Rose und Onkel Reggie hatten nichts Derartiges erwähnt. Geplant war, dass sie von Mombasa mit dem Zug nach Nairobi reisten, das im ostafrikanischen Hochland lag. Von dort würden sie die Reise mit Pferden und Karren fortsetzen.
«Wäre ich an seiner Stelle, würde ich im Hafen auf dich warten. Und so, wie du ihn mir beschrieben hast …»
«Aber ich weiß ja gar nicht, ob er wirklich so ist, wie ich ihn mir immer denke», erwiderte Audrey hastig. Die letzten Wochen waren ein stetes Auf und Ab aus Hoffen und
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