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Am Fuß des träumenden Berges

Am Fuß des träumenden Berges

Titel: Am Fuß des träumenden Berges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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trug.
    Er ist überhaupt nicht aufgeregt, fuhr es ihr durch den Kopf. Und: Was soll ich jetzt nur sagen?
    «Guten Tag», brachte sie hervor und reichte ihm steif die Hand.
    Er lachte. «Guten Tag, Audrey.» Und dann drückte er ihre Hand und fügte hinzu: «Ich bin Matthew, aber ich vermute, das hast du dir schon gedacht. Tante Rose meinte, du wärst verlorengegangen im Gedränge. Aber schau, ich hab dich sofort gefunden.»
    Erst dann ließ er ihre Hand los und fuhr sich verlegen über den Nacken.
    Sie krauste die Nase. «Ich vermute, du wirst einen schlechten Eindruck von mir haben, aber der Fischhändler … Ich war unvorsichtig, und …» Sie verstummte.
    Matthew drehte sich halb um und musterte den Inder. Dann rief er ihm etwas zu, und der Fischhändler lachte und antwortete.
    «Warte hier.» Matthew trat an den Stand und verhandelte mit dem Mann. Dieser nickte eifrig, und nach zwei Minuten stand Matthew wieder neben ihr. An einem Bindfaden baumelten vier Fische, die der Händler ausgenommen und aufgefädelt hatte.
    «Unser Abendessen», erklärte er zufrieden.
    Audrey verzog das Gesicht. «Ich dachte, wir übernachten in einem Hotel.» Wollte Matthew etwa die Fische über einem offenen Feuer braten?
    Er lachte freundlich. Warm. Seine freie Hand legte sich um ihren Oberarm, und die Berührung elektrisierte sie. «Keine Sorge», sagte er. «Die Fische bekommt der Hotelkoch. Er wird sie heute Abend für uns zubereiten. Glaub mir, so frisch sind sie am besten.»
    Es war merkwürdig, dass diese wenigen Sätze genügten, um zu wissen, dass all ihre Befürchtungen völlig unbegründet waren. Matthew hatte sie im Gedränge gefunden, und er hatte über ihre beschmutzten Stiefel hinweggesehen.
    Jetzt führte er sie sicher zum anderen Ende des Kais, wo Onkel Reggie und Tante Rose auf sie warteten. Zwei junge Schwarze hielten riesige Sonnenschirme über die Köpfe der beiden älteren Herrschaften.
    «Kind! Dass du uns auch auf dem letzten Stück Wegs verlorengehen musstest! Ist mit dir alles in Ordnung?», fragte Tante Rose bestürzt.
    «Es geht mir gut. Matthew hat mich gefunden.» Sie lächelte ihn von der Seite an, und er lachte leise. Es war wie ein geheimer Code. Etwas, das sie schon jetzt mit ihm verband.
    Es war, als hätten sie mit ihren Briefen ein Netz über den Abgrund aus Schweigen zwischen zwei Freunden gespannt. Und dieses Netz hielt. Sie waren füreinander bestimmt.
     
    Matthew hatte im Grand Hotel Mombasa drei Zimmer reserviert: eines für Audrey, eines für Tante Rose und Onkel Reggie und eines für sich. Natürlich konnte Reggie es sich nicht verkneifen anzumerken, dass die ältere Generation sehr gern den Jüngeren das Doppelzimmer abtrete. «Wir haben ohnehin keine Verwendung mehr dafür, nicht wahr, Röschen?», bemerkte er und kniff Tante Rose fröhlich in die Hüfte. Sie quiekte verschämt und schlug ihm allen Ernstes mit der flachen Hand auf die Finger.
    Audrey wurde rot, Matthew grinste nur.
    «Reggie! Nun mach die beiden nicht so verlegen! Die Hochzeit wird doch wohl noch warten können, bis wir auf der Teeplantage sind, oder?»
    «Natürlich, Tantchen.» Wieder grinste Matthew und zwinkerte Audrey zu. Sie hätte fast laut losgelacht.
    Audreys Zimmer war riesig und luxuriös eingerichtet. Es gab ein großes Bett, in dem ohne Probleme zwei Personen Platz finden konnten, einen Kleiderschrank, Toilettentisch und Polsterbank, zwei Polsterstühle und ein Tischchen. Der Boy zeigte ihr den schmalen Balkon, schlug die Tagesdecke zurück und blieb dann abwartend stehen.
    Verunsichert blickte sie den jungen Mann an. Der lächelte und rührte sich nicht von der Stelle.
    Audrey war verwirrt. Wollte er vielleicht Geld? Oder erwartete er Anweisungen von ihr?
    «Sie können gehen.» Sie machte eine wedelnde Handbewegung. Der Boy verneigte sich und ging, und Audrey atmete auf.
    Alles hier war so fremd. So anders! Die Gerüche und Laute dieser Hafenstadt, der Staub, der in der Sonne tanzte. Die Luft war üppiger und legte sich schwer auf ihre Brust. Und als sie die Fensterläden öffnete und auf den kleinen Balkon trat, der an der Schattenseite des Hotels lag, hatte sie das Gefühl, gegen eine Wand aus schwüler Hitze zu stoßen.
    War das immer so hier in Ostafrika? Matthew hatte doch von den Savannen geschrieben, über die sich mit der hereinbrechenden Dunkelheit auch eine Kühle senkte, die fast schon frostig war.
    Schwer vorstellbar, dachte sie.
    Audrey verriegelte die Fensterläden sorgfältig. Sie zog ihr

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