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Am Fuß des träumenden Berges

Am Fuß des träumenden Berges

Titel: Am Fuß des träumenden Berges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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Audrey gedacht, die Naturvölker hätten viele Götter. So wie die Ägypter einst oder die Römer und Griechen.
    «Merkwürdig, nicht wahr? Ihre Religion ähnelt dem Christentum. Sie zu missionieren, ist wohl recht einfach, habe ich mir sagen lassen.»
    Audrey lächelte verhalten. Ihr ging plötzlich die Frage im Kopf herum, warum man den Kikuyu nicht ihre Religion ließ, wenn sie dem Christentum doch schon so sehr ähnelte. Oder warum sie sich überhaupt dem anpassen mussten, was die Weißen für gut und richtig erachteten.
    Sie war eine Frau, und dieser merkwürdige Gedanke – dass der christliche Glaube nicht richtig sein könnte für diese wilden Menschen – verwirrte sie. Er war zu groß, um ihn zu fassen, und vermutlich war er deshalb auch einfach sehr dumm.
    «Sie sind jedenfalls gute Arbeiter. Ihre Hütten sind armselig, aber sie machen auf mich den Eindruck, als seien sie mit diesem Leben glücklich.»
    «Ich dachte immer, die Afrikaner lebten als Jäger und Sammler in der Savanne.» Sie hatte sich ein wenig Wissen angelesen, in den Heften des National Geographic. Und musste jetzt feststellen, dass alles ganz anders war, als sie es sich vorgestellt hatte.
    «Das tun einige Völker auch. Andere wiederum sind schon seit langer Zeit sesshaft und bearbeiten ihre Äcker und züchten Vieh. Wieder andere treiben nur ihre Viehherden über die Steppe.» Er zuckte mit den Schultern. «Hier wird dir alles begegnen. Unvorstellbares und Unglaubliches.»
    Sie nickte nachdenklich. Der Kellner kam an ihren Tisch und fragte, ob sie noch etwas wollten. Matthew nickte und bestellte noch mehr Limonade, Tee und Gebäck.
    «Den Tee wirst du mögen», versicherte er ihr. «Er stammt von unserer Plantage.»
    Die Selbstverständlichkeit, mit der er «uns» sagte, rührte sie. «Baust du nur Tee an?»
    «Wir. Wir bauen Tee an, ja.» Er beugte sich vor, und sie spürte seinen prüfenden Blick. «Willst du nicht mehr?», fragte er leise.
    «Wie bitte?» Seine Frage verwirrte sie.
    «Ich fragte, ob du nicht mehr willst. Ob du mich so schrecklich findest. Wenn das nämlich so ist, dann musst du es nur sagen, ich würde es verstehen. Also, ich meine … Ich würde dir das Ticket für die Heimfahrt selbstverständlich bezahlen. Ich kann dich schließlich nicht zwingen, mich zu heiraten.»
    Plötzlich schossen ihr Tränen in die Augen. «Oh Gott, nein!», rief sie leise. Hastig fingerte sie das Taschentuch aus ihrem Täschchen und betupfte die Augen. Doch es half nicht; die Tränen flossen ungehindert über ihr Gesicht.
    Matthews Hand lag auf ihrem Arm. Eine intime Geste, die unter anderen Umständen völlig unpassend gewesen wäre – wenn sie nicht verlobt wären, wenn sie nicht unter Leuten wären. So war es ein Trost, dass er sie berührte. Sie zitterte und wusste nicht, ob es seine Berührung war oder dieses entsetzliche Gefühl der Schwäche, das sie erfasste.
    «Es ist nur … Ich war schon mal verlobt.»
    Er lächelte vorsichtig. «Und?»
    «Es hat nicht sein sollen. Und nachdem die Verlobung gelöst war … Ich hab einfach nicht gedacht, dass ich noch eine zweite Chance bekomme. Dass ein Mann mich wollen würde.»
    Er runzelte die Stirn, und sie schloss erschöpft die Augen, weil sie seinen Blick nicht ertrug. Führten sie dieses Gespräch wirklich in der Öffentlichkeit?
    Das Klappern von Geschirr ließ sie aufblicken. Der Kellner brachte eine Etagere mit neuem Gebäck. Er schenkte ihnen Tee ein und stellte einen Krug Bitter Lemon in die Mitte des Tischs.
    «Komm, probier den Tee.» Matthew gab sich einen Ruck. Der Kellner goss den Tee durch ein silbernes Sieb in die zarte Porzellantasse. Dann trat er zurück, verschränkte die Hände vor seinem Oberkörper und wartete.
    Sie nahm einen Schluck. Im ersten Moment schmeckte er noch salzig von ihren Tränen, doch dann schmeckte sie es.
    Dieser Tee war sanft und üppig, und er machte glücklich. Zumindest das kleine bisschen, das sie in diesem Moment brauchte.
    «Erzählst du mir, was passiert ist?», fragte Matthew. Immer noch so behutsam. Er war gar nicht wütend. Sie hatte gedacht, die Vorstellung, eine Frau zu heiraten, die schon einmal einem anderen versprochen gewesen war, würde ihn endgültig davon überzeugen, dass es eine Schnapsidee gewesen war, sich eine Braut in der Ferne zu suchen.
    «Es ist keine große Sache.» Sie knüllte das Taschentuch mit beiden Händen zusammen. «Wir kamen überein, dass es nicht funktionieren würde. Wir kannten uns, seit wir Kinder

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