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Am Fuß des träumenden Berges

Am Fuß des träumenden Berges

Titel: Am Fuß des träumenden Berges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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nein. Das konnte doch nicht heißen, dass …
    «Doch, verschwunden. Mit einer Schwarzen durchgebrannt ist er. Ausgerechnet heute Nacht!»
    «Aber dann können wir nicht heiraten», sagte sie tonlos.
    «Das weiß ich auch!» Er fuhr zu ihr herum. Audrey zuckte zusammen. Sofort wurde sein Blick weicher. «Herrje, tut mir leid. Komm her, Audrey.» Er streckte die Hand nach ihr aus. Aber Audrey konnte sich nicht rühren. Sie blieb wie angewurzelt auf dem schweren Ledersessel hocken und starrte an Matthew vorbei.
    Konnte es noch schlimmer kommen?
    Andererseits: Das, was gestern Nacht geschehen war, war nun wirklich keine Katastrophe gewesen. Im Gegenteil. Sie hatte es als sehr beglückend empfunden, was er mit ihr gemacht hatte. Der kleine, ziepende Schmerz war schnell verblasst, und er hatte ihr immer wieder versichert, dass es nur beim ersten Mal so weh tat. Und wie um ihr das zu beweisen, hatte er sie im Morgengrauen geweckt, und während der Tag mit Wucht über The Brashy hereinbrach, hatten sie sich ein zweites Mal geliebt.
    Sie war verloren. Hals über Kopf hatte sie sich in diesen Mann verliebt. Sie hatte einfach alle Zweifel über Bord geworfen, hatte das Leben hinter sich gelassen, das ihr nichts als Schmerz bereitet hatte, und war hergekommen. Und an diesem Morgen hatte sie das erste Mal nach so langer Zeit wieder das Gefühl, lebendig zu sein.
    «Und was machen wir jetzt?»
    Ihre Stimme zitterte.
    «Ich weiß nicht. Herrgott, keine Ahnung. Wir brauchen einen neuen Missionar oder Priester. Irgendwen, der uns traut. Verdammt, warum hab ich nicht einfach eine zivile Trauung vom Gouverneur erbeten, dann müssten wir uns jetzt keine Sorgen machen!»
    Er bemerkte, dass sie wie ein Häuflein Elend vor ihm hockte, und ging in die Knie. «Aber du musst dir keine Sorgen machen, hörst du? Zur Not reite ich los und suche irgendwo einen Priester. Das wird schon klappen.»
    «Aber nicht heute», sagte sie leise.
    «Nein, heute wird das wohl nichts werden.» Er stand auf. «Ich muss Tante Rose und Onkel Reggie irgendwas erzählen, sie werden sonst denken, du und ich meinten es nicht ernst. Sie sind sehr besorgt um dich. Mehr als um mich.»
    Audrey lächelte zaghaft. Er klang so zuversichtlich, dass er das Problem schon irgendwie lösen würde.
    «Und wenn wir ihnen einfach erzählen, wir seien schon getraut?», fragte sie. «Wir können ja sagen, wir hätten es heimlich gemacht, weil wir es heute früh nicht hätten abwarten können. Und dass Father Alan verschwunden ist, brauchen sie ja erst morgen zu erfahren.»
    «Bwana?» Der Boy tauchte in der offenen Tür auf. «Kinyua ist hier.»
    «Er soll reinkommen.»
    Der Boy zögerte. Er war kaum älter als zwanzig. Wie die anderen Boys trug er einen weißen Kaftan und eine weite Hose. Sein Schädel war kahlrasiert, doch der erste Flaum wuchs bereits wieder nach. «Er sagt, er geht nicht in das Haus eines Mzungu, Bwana.»
    «Dann wird er seine Regeln heute wohl oder übel mal brechen müssen. Ich hab keine Lust, mich auch noch mit ihm rumzuärgern.»
    Matthew zündete sich eine Zigarette an. Er setzte sich in seinen Stuhl hinter den Schreibtisch und schlug die Beine übereinander. Audrey erhob sich und wollte das Zimmer verlassen.
    «Nein, Liebes, bleib. Dann kannst du gleich Kinyua kennenlernen. Er spricht für die Kikuyu.»
    Sie sank zurück in den Sessel.
    Der Boy neigte den Kopf und verschwand. Von draußen hörte Audrey leises Murmeln, dann war alles still.
    Das Schweigen dehnte sich. Sie zupfte einen Flusen von ihrem marineblauen Rock. Die Bluse war hochgeschlossen, und sie schwitzte. Es war ein heißer Tag, aber welcher Tag war wohl nicht heiß in Afrika?
    «Vielleicht ist er wieder fort?», fragte sie nach einer Weile.
    Matthew winkte ab. «Glaub mir, er kommt.»
    Sie warteten weiter. Matthew zündete sich eine zweite Zigarette an.
    Dann nackte Füße auf den Dielenbrettern. Audrey hielt den Blick gesenkt. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie die große Gestalt. Stolz stand der Schwarze unter dem Türbogen und rührte sich nicht.
    «Ich bin hier, Bwana Winston», sagte er.
    Eine Stimme, so dunkel und samtig wie Schokolade.
    Er konnte nichts dafür, wenn ein Mädchen nachts verschwand. Er nahm es persönlich, und natürlich machte es ihn wütend, aber er war nicht für alle anderen der Sündenbock.
    Natürlich hatte er sich von den Ältesten schon Vorhaltungen machen lassen müssen. Warum die Weißen überhaupt hier waren. Damit ging es immer los. Und wieso Kinyua ihnen

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