Am Fuß des träumenden Berges
Schritten war er bei ihr, seine Hand suchte ihre und drückte sie zärtlich. Sein Atem schmeckte nach Tabak, und seine Lippen drückten sich auf ihren Mund.
Ihr erster Impuls war, ihn wegzuschieben. Sie fühlte sich schmutzig und überhaupt nicht küssenswert. Aber dann gab sie nach, und in diesem winzigen Moment, in dem sie ihn noch wegschieben und schon küssen wollte, fühlte es sich plötzlich anders an. Als sei alles richtig. Diese Plantage, dieser Mann, und im Grunde war auch dieses Klohäuschen richtig.
Hauptsache, sie war bei diesem Mann.
Atemlos lösten sie sich voneinander. Audrey spürte ihr Herz in der Brust hämmern.
«Wollen wir?», fragte Matthew, und sie nickte. Er hob sie hoch, und diesmal legte sie den Kopf an seine Brust, die Arme um seinen Hals. Das Pochen seines Herzens beruhigte sie. Er schlug nicht den Weg zum Gästeflügel ein, aber sie protestierte nicht. Erst als er sie vor der Tür abstellte, die zu seinem Schlafzimmer führte, erkannte sie, was er vorhatte.
«Wir heiraten morgen», sagte er.
«Morgen», erwiderte sie und lächelte.
«Du bist aber schon heute Nacht so …» Er beugte sich zu ihr herunter und küsste sie. Seine Zunge erkundete ihren Mund. «Süß», fügte er hinzu. «Verführerisch.»
Audrey legte wieder die Arme um seinen Hals. Sie kam sich kühn vor. So war sie doch gar nicht. So war sie auch nie bei …
Schnell weg mit diesem Gedanken. Es war nur ein Aufblitzen, und sie konnte diesen Fetzen Erinnerung schnell wieder zurück in den tiefsten Winkel ihrer Seele schieben, aus dem er kam.
«Und jetzt müssen wir noch einen ganzen Tag warten», sagte er. Obwohl sie nicht so genau wusste, was so schlimm daran sein sollte noch einen Tag zu warten, schien Matthew es kaum auszuhalten.
«Es sei denn …» Er rückte näher. Sein Körper drückte sich gegen ihren. Er war nicht größer als sie, aber sie spürte seine Kraft.
«Ja?», fragte sie atemlos.
Noch ein Kuss, der ihr Antwort sein sollte. Sie seufzte in seinen Mund, und zugleich spürte sie eine Nässe zwischen den Beinen.
Oh Gott, dachte sie. Ist da etwas Unaussprechliches passiert?
«Matthew, nicht.» Sie schob ihn von sich. «Bitte, es ist … Ich …»
Sie wollte vor Scham im Boden versinken. Erst musste er sie zum Klo tragen, und dann machte sie sich bei einem Kuss nass? Sie schlug die Hände vors Gesicht.
«Was ist?», fragte er besorgt. Nahm ihre Hände und schob sie sacht nach unten. «Audrey, du weinst doch nicht?»
Sie schüttelte den Kopf und wandte das Gesicht von ihm ab. Ihre Wangen brannten vor Scham.
«Dann sag es mir. Bitte.»
Sie biss sich auf die Lippe.
«Ich …» Nein, es ging nicht. Es war zu schlimm. «Es ist unangenehm. Geradezu peinlich.»
«Ich verspreche, dass ich nicht lache», versicherte er ihr. Seine Hände hielten ihre, und er drückte sie ermutigend. «Also? Was ist es?»
Sie hob den Kopf. «Ich bin nass», sagte sie mit Grabesstimme. «Das ist so peinlich!»
Aber Matthew starrte sie nur ungläubig an.
«Sag das noch mal», forderte er sie auf.
«Ich bin nass!», wiederholte sie. Einmal ausgesprochen, war es gar nicht mehr so schwer, zu dieser Peinlichkeit zu stehen. «Zwischen den Schenkeln. Ich hab mich bei unserem Kuss eingenässt.»
Matthew nahm ihre Hand und führte sie an die Lippen. «Aber weißt du denn gar nicht, was das heißt?», fragte er.
Audrey seufzte. «Das heißt wohl, dass ich schon eine alte Frau bin. Noch kannst du’s dir anders überlegen, ob du nicht lieber eine Jüngere haben möchtest.»
Er musterte sie ungläubig. Dann gab er sich einen Ruck.
«Ich glaube, ich möchte dir etwas zeigen», sagte er. Und er öffnete die Tür seines Schlafzimmers und führte sie hinein.
Im ersten Moment hatte sie ihm nicht glauben wollen. Doch dann zeigte er ihr, was er meinte – und sie verstand.
Er drückte ihre Schultern sanft nach unten, bis sie auf seinem Bett saß, und setzte sich neben sie. Seine Hand nahm ihre, und mit dem Daumen streichelte er ihre Handfläche. Audrey schloss die Augen. Wie konnte sich etwas nur so gut anfühlen? Eine harmlose Berührung, die sie durchzuckte wie ein zartes Wetterleuchten.
«Komm.» Er zog sie mit sich auf die Matratze. Sie lagen nebeneinander, die Füße noch auf dem Boden. Audrey zitterte. Sie hatte nur das weiße, bauschige Nachthemd an, und der Teppich kratzte unter ihren Füßen. Unwillkürlich hielt sie den Atem an, als Matthew das Bändchen am Halsausschnitt ihres Hemds aufzog.
Was sie hier
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