Am Fuß des träumenden Berges
Feuchtigkeit hing noch in allen Textilien und klebte auf der Haut.
«Bald.» Sie drückte seinen Arm. «Wir müssen nur noch heiraten.»
«Das tun wir. Heute Abend noch, wenn du willst.»
Sie schloss für einen winzigen Moment die Augen. Natürlich wollte sie ihn heiraten, aber die Vorstellung, es könnte schon heute Abend so weit sein, war für sie zu groß.
Alles in diesem Land und ihrem neuen Leben war zu groß.
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12 . Kapitel
Sie schlief früh ein an diesem Abend. Ein aufregender Tag lag hinter hier, ein aufregendes Leben vor ihr.
Die Hochzeit hatten sie auf den morgigen Tag verschieben müssen, weil Matthew den Missionar nicht hatte auftreiben können. Nicht schlimm, redete sie sich ein. Eine letzte Nacht hielt sie es noch im Gästezimmer ohne ihn aus.
Mitten in der Nacht wachte sie auf. Lag in der Stille und versuchte zu ergründen, warum sie aufgewacht war.
Irgendwas fühlte sich nicht richtig an. Außerdem musste sie austreten.
Sie stand leise auf und schlich zur Tür. Lauschte angestrengt, und weil draußen im Korridor alles still blieb, schlüpfte sie nach draußen. Sie hatte sich ein Schultertuch umgelegt und tapste barfuß durchs dunkle Haus. Der Abort war hinter dem Haus in einiger Entfernung aufgestellt. Hier war eben alles noch etwas provisorisch, wie Matthew zerknirscht zugegeben hatte.
Ihr gefiel’s.
Sie blieb auf der Veranda stehen. Irgendwie widerstrebte es ihr, barfuß über den Rasen zu laufen. Was, wenn ein Skorpion sie stach oder gerade in diesem Moment ein Löwe aus dem Gebüsch brach? Sie fröstelte und blieb stehen.
«Was treibt denn meine Frau hier draußen ganz allein?»
Sie fuhr mit einem Aufschrei herum. Matthew lachte. «Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken. Kannst du auch nicht schlafen?»
Er war noch angezogen – oder schon wieder, das wusste sie nicht so genau. Audrey schüttelte den Kopf. «Ich wollte … ich muss …» Beschämt nickte sie zum Klohäuschen rüber. Das hier war ja sogar noch peinlicher als die tägliche Verrichtung im Busch!
«Du kannst unmöglich barfuß da rüber.» Er kam näher, und ihr wurde heiß und kalt. Sie lachte zittrig.
Gott, es war ihr so schrecklich peinlich. Sie drehte sich um, doch Matthew hielt sie am Oberarm fest. Zog sie an sich. Und hob sie einfach hoch.
Audrey schrie auf.
«Still!», schalt er sie zärtlich, und sie schlug sich die Hand vor den Mund. Der andere Arm lag um seinen Hals, ganz automatisch, als müsse es so sein. Als sei es in Ostafrika das Normalste der Welt, dass der Mann seine Zukünftige zum Klohäuschen trug.
Er überquerte rasch den Rasen und stellte sie direkt vor dem Klo auf den Boden. «Beeil dich», sagte er. Sie hatte sicher nicht vor, diese peinliche Episode länger als unbedingt nötig auszudehnen. Sie trat hinter den Vorhang – es gab nicht mal eine Tür, wie schrecklich! –, raffte ihr Nachthemd und hockte sich über das Loch im Boden. Krampfhaft versuchte sie, ihr Wasser möglichst leise zu lassen, aber das war unmöglich, sie hatte es zu lange eingehalten. Es klang schrecklich laut in der nächtlichen Stille, und der Geruch vermischte sich mit dem Gestank der Exkremente in der Grube.
Mit einem Wort: Es war einfach nur widerlich.
Dann war die größte Peinlichkeit vorbei, und sie beeilte sich, den Verschlag zu verlassen. Matthew lehnte draußen ganz entspannt an der Bretterwand.
«Also», sagte sie. «Das da drin.»
«Ja?», fragte er. Sie glaubte, im schwachen Licht sein Grinsen zu sehen.
«Das geht so gar nicht», erklärte sie überzeugt.
«Oh», machte er. «Soll ich etwas ändern?»
«Ja!», rief sie. «Du kannst dich ja hinstellen, aber ich …» Sie wurde wieder rot. Hatte sie das wirklich gerade sagen wollen? «Na, du weißt schon.»
Jetzt lachte er. Seine Zähne blitzten im Dunkeln. «Ja, ich hab schon verstanden. Und?»
«Ich muss mich hinhocken. Das da», sie zeigte auf das Klohäuschen, «würden nicht mal die armen Bergleute in Wales als ordentliches Klo bezeichnen.»
«So, so. Arme Bergleute in Wales.»
Er machte sich doch tatsächlich über sie lustig! Aber er tat es auf eine so freundliche Art, dass sie ihm nicht böse sein konnte.
«Können wir uns da nicht was Besseres einfallen lassen?», fragte sie flehend. «Bitte, Matthew. Ich will nicht immer nachts von dir über den Rasen getragen werden müssen.»
«Hat dir das etwa nicht gefallen?» Er stieß sich von der Bretterwand ab und warf die Zigarette ins Dunkel. Mit zwei
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